Herne. . Über Müll, Lärm und Vandalismus beklagen sich Bürger aus Horsthausen und Politiker: Die Zustände rund um das von Rumänen bewohnte Haus an der Horsthauser Straße sind aus ihrer Sicht nicht länger hinnehmbar. Der Stadt werfen sie Tatenlosigkeit vor.

Klagen über Müll, Lärm, Vandalismus, Ratten – Horsthauser Bürger und die Politik schlagen Alarm. „Das sind unhaltbare Zustände. Hier muss sich schnell etwas ändern“, sagt Anwohnerin Anja Crämer am Donnerstag zur WAZ. Stein des Anstoßes: die Zustände im und rund um das verwahrloste Mietshaus an der Horsthauser Straße 188.

Seit dem Sommer 2013 wohnen EU-Bürger aus Rumänien in dem Haus. Wie viele es zurzeit sind, weiß niemand. „Hier ist ein ständiges Kommen und Gehen“, sagt Else Behn, die im Mai des vergangenen Jahres in direkter Nachbarschaft einen Kosmetiksalon eröffnet hat.

Im Februar 2014 lebten in dem Haus 58 Menschen in sechs Wohnungen. Das habe die Stadt damals bei einer gemeinsam Aktion unter anderem mit Polizei, Stadtwerken, Fachbereich Jugend und Feuerwehr im Haus in Erfahrung gebracht, berichtete Karl-Wilhelm Schulte-Halm vom städtischen Fachbereich Öffentliche Ordnung am Mittwochabend in der Bezirksvertretung Sodingen. Das Gremium befasste sich auf Anfrage der CDU mit den Zuständen auf der Horsthauser Straße.

Die Aktion im Februar sei aufgrund des Hinweises erfolgt, dass im Haus für Bewohner eine Gefahr für Leib und Leben bestehe, so Schulte-Halm. Nach der Aktion hätten die Stadtwerke in zwei Wohnungen den Strom abgesperrt. Darüber hinaus habe es für die Verwaltung aber rechtlich keine Möglichkeit gegeben, tätig zu werden. Und was sagt die Polizei? 2014 seien dort bisher keine Straftaten aufgenommen worden, so Polizeisprecher Guido Meng auf Anfrage.

Die Stadt tue zu wenig, kritisieren Anwohner. „Warum wird der Eigentümer des Gebäudes nicht zur Verantwortung gezogen?“, fragt Anja Crämer. Und: „Wofür zahlen wir eigentlich Steuern? Damit hier nichts geschieht?“ Die Bürger in Horsthausen würden immer wütender.

Über gefährliche Situationen berichtet eine andere Anwohnerin (Name der Redaktion bekannt). Kleine Kinder würden nicht beaufsichtigt und liefen häufig auf die Straße. „Es ist ein Wunder, dass noch nicht mehr passiert ist“, sagt sie.

Kosmetikerin Else Behn weist darauf hin, dass die Autos der Bewohner bzw. Besucher des Hauses häufig die Gehwege zuparkten. Ältere Menschen mit Rollator und Mütter mit Kinderwagen müssten die Straße wechseln, weil es wegen der Falschparker kein Durchkommen mehr gebe. Die Fahrzeuge kämen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Staaten wie Frankreich und Polen.

Anwohnerin Anja Crämer berichtet, dass sie Fotos von Falschparkern gemacht und diese per Mail an die Verwaltung geschicht habe. „Ich habe nicht einmal eine Antwort erhalten“, sagt sie.

Auch die politischen Mandatsträger melden sich zu Wort. „Ältere Menschen haben in Horsthausen panische Angst“, sagt Rudolf Fischer, Bezirksverordneter der Linkspartei. Von wilden Müllkippen weiß CDU-Bezirksfraktions-Chef Sven Rickert zu berichten. Mathias Grunert, SPD-Vorsitzender im Bezirk Sodingen, befürchtet, dass der gesamte Stadtteil heruntergezogen werden könnte. Und auch Bezirksbürgermeisterin Henny Marquardt und der SPD-Stadtverordnete Thomas Spengler sehen dringenden Handlungsbedarf.

Wie in der Bevölkerung wird auch in der Politik der Vorwurf laut, dass die Stadt nicht genug unternimmt. Karl-Wilhelm Schulte-Halm vom Fachbereich Öffentliche Ordnung weist entschieden zurück, dass die Verwaltung nicht tätig geworden ist: Der Kommunale Ordnungsdienst (KOD) sei häufig präsent. Der Verwaltung seien aber die Hände gebunden: Mehr könne der KOD aufgrund der rechtlichen Lage und der Reisefreiheit von EU-Bürgern nicht tun. Der Stadtmitarbeiter erklärt aber auch: „Wir haben im gesamten Stadtgebiet ähnliche Probleme.“

Die Frage, wie viele EU-Bürger aus Rumänien und Bulgarien zurzeit in Herne leben, ließ die Stadt am Donnerstag unbeantwortet. Im Januar waren es offiziell rund 1100 Menschen aus diesen beiden Staaten.

Der Vermieter des Hauses Horsthauser Straße 188 war am Donnerstag nicht zu erreichen. Der Versuch der WAZ, mit Bewohnern ins Gespräch zu kommen, scheiterte an sprachlichen Hürden.

Gesetz gegen Überbelegung

Der Stadt seien auch deshalb die Hände gebunden, weil es kein Gesetz gegen Überbelegung gebe, so Karl-Wilhelm Schulte-Halm vom Fachbereich Öffentliche Ordnung. Das könnte sich schon in Kürze ändern: Der Landtag soll am Mittwoch, 9. April, ein Wohnungsaufsichtsgesetz beschließen. Man wolle Städten damit ein effektives Instrument gegen verantwortungslose Vermieter an die Hand geben, so ein Sprecher des NRW-Bauministeriums zur WAZ.

Ein Inhalt des Gesetzes: Um Überbelegungen zu verhindern, müssen mindestens 9 m2 für einen Erwachsenen und mindestens 6 m2 für Kinder bereitgestellt werden. Und: Das Gesetz erleichterte es den Städten, sich Zutritt zu den Wohnungen zu verschaffen, so der Mitarbeiter des Bauministeriums.

Die Erklärung des NRW-Bauministeriums 

Die Pressemitteilung des Bauministeriums zur Vorlage des Gesetzentwurfs im November 2013 im Wortlaut:

„Das Kabinett hat in seiner heutigen Sitzung den Entwurf des neuen Wohnungsaufsichtsgesetzes gebilligt. Mithilfe dieses Gesetzes sollen die Kommunen künftig mehr Möglichkeiten bekommen, gegen Vermieter vorzugehen, die ihre Wohnungen vernachlässigen. Darüber hinaus soll durch die Neuregelung zur Überbelegung verhindert werden, dass Vermieter wohnungssuchende Menschen ausnutzen, um einen maximalen Gewinn zu erzielen.

Wohnungsbauminister Michael Groschek hält die Gesetzesänderung für dringend erforderlich: ,Ob überbelegte Wohnungen, wie wir es beispielsweise in Duisburg oder Dortmund erleben mussten, oder stark vernachlässigte Miethäuser: Mit dem neuen Gesetz werden wir die Rechtsinstrumente der Wohnungsaufsicht deutlich verbessern. Wer in Zukunft Missstände nicht behebt, muss mit Bußgeldern bis zu 50.000 Euro rechnen. Das schreckt ab. Eigentümer, die zwar viel Geld einnehmen, aber nichts investieren wollen, werden ihr fragwürdiges Geschäftsmodell künftig zwangsläufig überdenken und korrigieren müssen.’

Das Wohnungsaufsichtsgesetz ist ein klares Signal an alle Hauseigentümer: Wer in Zukunft Mindeststandards nicht erfüllt, der darf seine Wohnräume auch nicht vermieten. Dazu zählt beispielsweise nicht nur das Vorhandensein von sanitären Anlagen, sondern auch deren Funktionstüchtigkeit. Um Überbelegungen zu verhindern, müssen mindestens 9 m² Wohnfläche für jeden Erwachsenen bereitgestellt werden, für Kinder (bis 6 Jahre) mindestens 6 m².

Die Wohnungsämter können bei Missständen Instandsetzungen anordnen, wenn der Eigentümer nicht handelt. Wenn Wohnraum nicht die Mindestanforderungen erfüllt oder sogar Gesundheitsgefahren drohen, dann kann die Immobilie künftig leichter für unbewohnbar und somit für nicht vermietbar erklärt werden.

,Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Mein Haus wird den Gesetzentwurf nun dem Landtag zuleiten. Ich hoffe, dass das neue Wohnungsaufsichtsgesetz möglichst schnell den Landtag passiert, um die Wohnraumsituation in unserem Lande weiter zu verbessern – zum Wohle aller Mieterinnen und Mieter in Nordrhein-Westfalen’, so Groschek abschließend.“