Herne. . Der Rat in Herne hat am Dienstagabend grünes Licht für den Haushalt 2014 gegeben. Die SPD holte dazu in letzter Minute die Grünen ins Boot und machte dem ehemaligen Kooperationspartner im Gegenzug Zugeständnisse.

Um kaum einen Haushaltsentwurf wurde in den vergangenen Jahren so heftig gerungen wie um den von 2014: Wochenlang haben die Fraktionen über das Papier von Kämmerer Hans Werner Klee (SPD) diskutiert und gestritten, vor und hinter den Kulissen. Am Ende nun gab es am Dienstagabend im Rat eine deutliche Mehrheit: 38 Stadtverordnete stimmten für den Haushalt, 25 dagegen. Das Besondere: Die SPD holte für ein Ja vor allem auch Bündnis 90/Die Grünen ins Boot. Und machten ihrem ehemaligen Kooperationspartner im Gegenzug Zugeständnisse.

Zur Ausgangslage: Klee, der „städtische Finanzminister“, setzt zur Haushaltskonsolidierung auf drei Säulen: auf Mittel aus dem Stärkungspakt des Landes, auf gut zwei Dutzend Sparmaßnahmen, außerdem auf Hilfen des Bundes über 10,5 Millionen Euro zwischen 2017 und 2021. Vor allem diese Hilfen, die von der Großen Koalition versprochenen Mittel für die Eingliederungshilfe, sorgten zuletzt für heftigen Streit. CDU und FDP, aber auch die Grünen stimmten noch im Dezember im Haupt- und Finanzausschuss gegen den Haushaltsvorschlag des Kämmerers und verlangten, bei der Eingliederungshilfe mit einem niedrigen Millionenbetrag zu rechnen. Zuletzt waren Union und Liberale auf die SPD zugegangen und hatten eine Schippe bei der Eingliederungshilfe drauflegen wollen, um eine breite Mehrheit möglich zu machen. Da aber machte die SPD nicht mit: Dieser Vorschlag, von dem er aus der WAZ erfahren habe, sei „nicht genehmigungsfähig“, kritisierte Dudda.

Der SPD-Fraktionschef hatte eingangs für eine Zustimmung zu dem Haushaltsentwurf des Kämmerers geworben. Grünes Licht für das Paket und damit für Finanzhilfen von Bund und Land, so Dudda, würde für Herne „Licht am Endes des Tunnels“ bedeuten. Ein Nein dagegen würde Herne einen Spar-Kommissar von außen bescheren. Und dieses „Schreckensszenario“, warnte der SPD-Fraktionschef, würde alle Bürger treffen.

Zweistündige Debatte

Dass die Abstimmung über den Haushalt nach gut zweistündiger Debatte nicht zur Zitterpartie für die SPD und ihren Kämmerer wurde, lag an den Grünen, die in letzter Minute umgeschwenkt sind. Die sechs Stadtverordneten stimmten mit Ja, dafür kommen ihnen die Sozialdemokraten in anderen Bereichen entgegen. Konkret: Der von den Grünen vehement geforderte Radstreifen auf der Bochumer Straße soll kommen, außerdem soll die geplante Klimaschutzsiedlung auf der Freifläche „An der Linde“ in Sodingen beerdigt und soll stattdessen auf dem Gelände des städtischen Betriebshofs an der Wiescherstraße errichtet werden.

CDU-Fraktionschef Markus Schlüter kritisierte die Grünen für ihre Zustimmung. Damit habe die Fraktion ein Tabu gebrochen – und gezeigt, „dass in der Politik Kopplungsgeschäfte möglich sind“. Von der Stadt verlangt er Auskunft darüber, ob die Zugeständnisse der SPD den Haushalt zusätzlich belasten.

Für das Paket des Kämmerers stimmten zudem die Soziale Gerechtigkeit und Linke-Ratsfrau Bärbel Beuermann. Unter anderem mit Stimmen von Rot und Grün wurde der Vorstoß von Union und FDP abgelehnt, die dritte Bürgermeisterstelle zu streichen. Diese wird zurzeit von den Grünen besetzt.

Sparpaket fällt üppiger aus

Mit der Zustimmung zum Haushalt wird das Sparpaket jetzt noch üppiger ausfallen als zuletzt beschlossen, müssen doch etwa durch den Einbruch bei der Gewerbesteuer weitere Millionen Euro erwirtschaftet werden. Der Weg frei gemacht wurde für knapp zwei Dutzend Maßnahmen, darunter auch jene, die die Bürger direkt treffen: eine Erhöhung der Hundesteuer etwa, eine Erhöhung der Gebühren für die Pflege von Grünanlagen oder eine Erhöhung des Verpflegungsentgeltes in Kitas. Außerdem soll unter anderem ein Sportplatz und eine Schule geschlossen sowie die Vergnügungssteuer schneller angehoben werden als zuletzt vom Rat beschlossen.

Haushaltsreden von SPD und CDU 

Ein Schreckensszenario zeichnete SPD-Fraktions-Chef Frank Dudda in seiner Haushaltsrede: Wenn es nicht gelingen sollte, einen genehmigungsfähigen Haushalt zu verabschieden, so hätte das erhebliche negative Folgen für Bürger und Betriebe sowie Vereine und Verbände. „Wir müssen den Grundstein dafür legen, dass die Verwaltung handlungsfähig bleibt“, so der Sozialdemokrat. Der Antrag von CDU und FDP würde dagegen zu einer Deckungslücke führen.

Der von der Stadt vorgelegte Entwurf sei Beleg für das besonnene Wirtschaften in der Stadt. Es sei unstreitig, dass in Herne vernünftig gewirtschaftet worden sei. Beim Verschuldungsstand liege die Stadt in der Region „im mittleren Bereich“. Der Weg der Haushaltskonsolidierung sei aber noch lange nicht beendet. Aber: Durch Entlastungen, die der Koalitionsvertrag im Bund mit sich bringe, sei wieder „Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen.

Der kurz vor der Ratssitzung erarbeitete neue Vorschlag von CDU und FDP sei das richtige Signal, „wenn auch in völlig falscher Form“. Eine Kommunikation über die WAZ ersetze nicht das seriöse Gespräch zwischen den Parteien. Kritik übte Dudda am Kurs der FDP, die im Land jüngst eine völlig andere Position vertreten habe als die Liberalen in Herne.

Als „Schussfahrt in die Schulden“ bezeichnete CDU-Fraktions-Chef Markus Schlüter die Haltung der SPD. Die Schulden von heute seien die Steuern von morgen. Besorgniserregend sei vor allem die Entwicklung bei den Kassenkrediten: „Hier tickt eine finanzpolitische Zeitbombe“, so Schüler. Er sehe die Situation nicht so rosig wie der SPD-Fraktionsvorsitzende. „Irgendjemand wird die Suppe in Zukunft auslöffeln müssen.“

Schlüters Appell an den Rat: „Wir müssen die Herausforderungen noch stärker annehmen.“ Eine striktere Ausgabendisziplin sei nötig. Und: Land und Bund müssten ihrer Verantwortung entschiedener als bisher nachkommen. Der SPD warf der Christdemokrat vor, den Konsens in der Haushaltskommission aufgekündigt zu haben. Vier Jahre habe man vertraulich zusammengearbeitet, bis die Sozialdemokraten die Gemeinsamkeiten aufgegeben hätten.

Das sagten Grüne, FDP und Linke 

Die Grünen seien verantwortungsbewusst, erklärte die Fraktions-Vorsitzende Dorothea Schulte in ihrer sehr kurzen Rede. Deshalb habe man mit Blick auf drohende Verschlechterungen für Bürger, Vereine und Verbände noch einmal das Gespräch mit der SPD gesucht. Dabei habe man dann „grüne Inhalte“ im Haushalt durchsetzen können.

Das wollte Markus Schlüter nicht stehen lassen: „Sie haben ein Tabu gebrochen und bewiesen, dass es Koppelgeschäft gibt“, so der CDU-Fraktionschef in Richtung Schulte und Dudda. Er sei nun gespannt darauf, wie die Verwaltung die Mehrkosten der SPD-Zugeständnisse an die Grünen berechnen werde. Allein durch die Aufgabe des Baugebiets An der Linde und der geplanten 30 Wohneinheiten entstünden Mindereinnahmen in beträchtlicher Höhe.

Thomas Bloch (FDP) verteidigte wortreich den Kurs seiner Partei und sprach von einem „recht sportlichen Spagat“: Einerseits müsse der kommunale Finanzpolitiker für die Funktionsfähigkeit der Stadt auch unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit sorgen. Andererseits müsse er dafür sorgen, dass die Stadt und ihr Umfeld lebens- und liebenswert bliebe.

Eine breite Einigung beim Haushalt 2014 sei auch deshalb so schwierig gewesen, weil es ständig neue Hiobsbotschaften gegeben habe. Das eigentliche Probleme sei jedoch, dass die SPD und inzwischen überraschenderweise auch die Grünen die Eingliederungshilfen anders bewerteten als die Liberalen und die CDU.

Wie zuvor Schlüter kritisierte Bloch den Vorstoß der SPD, aus der Haushaltskommission auszuscheren. „Wir nennen das durchsichtige Werbung: Damit wurden ohne Notwendigkeit der gemeinsame Weg der Haushaltskommission verlassen und die Fronten verhärtet.“ Blochs Forderung: Die politischen Kräfte dürften vor Ort nicht auf parteitaktische Manöver konzentriert werden, sondern darauf, dass Herne eine lebenswerte Stadt bleibt. Ein breiter Konsens beim Haushalt wäre „ein deutliches Signal nach Arnsberg“.

Veronika Buszewski (Linke) verwies darauf, dass ihre Partei in Sachen Haushalt stets von einer „strukturellen Unterversorgung“ gesprochen habe. Bund und Land müssten hier Abhilfe schaffen – „das ist aber nicht passiert“, so die Vertreterin der Herner Linkspartei im Rat. Mit dem von der Verwaltung vorgelegten Entwurf könne kein ausgeglichener Haushalt erreicht werden. Im Gegenteil: Das Zahlenwerk verschlechtere die Lebenssituation der Menschen in Herne. Mehr Transparenz müsse her. Wenn man ehrlich sei, müsse man feststellen, dass Herne bei den Finanzen nicht aus der Vergeblichkeitsfalle herauskomme.

Wie Buszewski trat auch die aus der Linke-Ratsgruppe ausgetretene Stadtverordnete Bärbel Beuermann den Gang ans Rednerpult an. Das Damoklesschwert „Sparkommissar“ schwebe über der Stadt: „Wollen wir dieses Gespenst hereinlassen? Wollen wir zulassen, dass der Rat nicht mehr handlungsfähig ist?“, fragte die Linke-Politikerin. Sie fühle sich verpflichtet, Schaden von der Stadt abzuwenden. Jedes Mitglied des Rates müsse Verantwortung übernehmen und sich fragen: „Warum sitze ich hier?“, so Beuermanns indirekter Seitenhieb auf Buszewski, die im Linke-Kreisverband eine klare Mehrheit hat. Zum Schluss ihrer Rede attackierte Beuermann die Linke in Herne (der sie nach wie vor angehört) dann sogar recht unverblümt: Man müsse sich fragen, was der bisherige Kurs denn eingebracht habe.

Die Alternative Liste, die Soziale Gerechtigkeit und die Unabhängigen Bürger 

Rainer Kielholz von der Alternative Liste verwahrte sich gegen den (indirekten) Vorwurf Beuermanns, dass eine Ablehnung des von der Verwaltung vorgelegten Haushalts gleichzusetzen sei mit Verantwortungslosigkeit. Und auch einen Seitenhieb auf die Grünen konnte er sich nicht verkneifen: „Schönen Dank dafür, dass Sie bewiesen haben, wie Politik in Herne funktioniert.“ Kielholz bezeichnete den Haushaltsentwurf als „seltsames Konstrukt“ und beklagte, dass die Stadt es 2007 versäumt habe, die RWE-Aktien abzustoßen.

Mit der Überschrift „Haushaltsplan 2014 - mehr als ein Hoffnungslauf“ versah Günter Nierstenhöfer (Soziale Gerechtigkeit) seine Haushaltsrede, in der er die Zustimmung seiner Ratsgruppe zur Kurs der SPD verteidigte. In den vergangenen Jahren sei es vor allem um Kürzungen von Leistungen sowie Steuer- und Gebührenerhöhungen gegangen. Das sei diesmal anders: Vor allem der Bund habe eingesehen, dass er die notleidenden Kommunen nicht im Regen stehen lassen könne. Hier müsse allerdings in Zukunft noch deutlich mehr passieren.

Die Perspektiven hätten sich grundlegend geändert. Es gebe „keine unvertretbaren neuen Belastungen“ für die Bürger, so Nierstenhöfer. Und: Durch die Zustimmung trage man dazu bei, dass das notwendige Engagement in sozialen, kulturellen, sportlichen und Umwelt-Bereichen in Herne nicht weiter zerstört werde. Neue Haushaltsverhandlungen würden nur bedeuten, dass viel unnütze Zeit vergehen würde. Zeit, die die Herne aufgrund der Unsicherheit lähmen würde.

Nierstenhöfer freute sich darüber, dass die CDU und FDP mit der Forderung nach Streichung der dritten Bürgermeisterstelle einen alten Vorschlag der Sozialen Gerechtigkeit aufgegriffen habe.

Arnd Schubeus (Unabhängige Bürger) warf der Stadt und der politischen Mehrheit vor, dass der Haushalt auch diesmal schöngerechnet und schöngeredet werde. Dabei gebe es genug Geld in Europa, so der frühere Republikaner. Die EU verpulvere dieses aber lieber an Schuldenstaaten wie Griechenland.