Herne/Bochum. . Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier schlug beim Neujahrsempfang der IHK Mittleres Ruhrgebiet, zu der auch Herne zählt, einen ganz großen Bogen. In seiner 45-minütigen Rede gewährte er Einblicke in die internationale Diplomatie, fand aber auch deutliche Worte zur Energiewende und zur Infrastruktur.
Manchmal muss man Glück haben: Als die IHK Mittleres Ruhrgebiet vor einem halben Jahr Frank-Walter Steinmeier als Festredner zum Neujahrsempfang einlud, war dieser SPD-Fraktionschef. Am Freitagabend kam er als amtierender deutscher Außenminister.
Der schlug vor etwa 900 Gästen in rund 45 Minuten einen großen Bogen. Selbstverständlich gewährte Steinmeier den Zuhörern an den Beispielen Syrien, Iran und Ukraine einen kleinen Einblick in die internationale Diplomatie.
Der Syrien-Konflikt, so Steinmeier, sei nicht mehr die Auseinandersetzung zwischen einem Regime und einer nach Freiheit strebenden Opposition – der Syrien-Konflikt habe sich zu einem „Stellvertreterkrieg“ entwickelt, in dem es um die Frage gehe, „ob sich die islamische Welt sunnitisch oder schiitisch“ entwickle. Angesichts dieser Tragweite sei es diplomatisch schon ein herausragender Erfolg, wenn es auf der Syrien-Konferenz in Genf gelingen würde, „dass beide Delegationen bleiben und abends nicht abreisen“. Angesichts der unabsehbaren Entwicklung im Mittleren Osten könnte ein Staat künftig zu einem Stabilitätsfaktor werden, von dem bislang in der allgemeinen Wahrnehmung die größte Bedrohung ausgehe: der Iran. Die Hoffnung keime, so Steinmeier, dass sich „ein 30 Jahre lang scheinbar unlösbarer Konflikt auflösen könnte – nämlich der um die atomare Aufrüstung des Iran“.
Mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit speziell in Südeuropa äußerte Steinmeier seine Besorgnis, „dass von der Jugend Europa nicht als Hoffnung, sondern als Bedrohung empfunden werden könnte“. Europa müsse „alles in unserer Kraft Stehende tun, um diese Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen“. Deutschland müsse lernen, „dass wir nicht auf einer Insel der Glückseligen leben“, schlug Steinmeier eine Brücke zur deutschen Wirtschaft. Angesichts zurückgehender Schülerzahlen würden heute schon viele Betriebe merken, dass es gar keine große Auswahl an Ausbildungsbewerbern mehr gebe. Ganz im Sinne der anwesenden Unternehmer formulierte Steinmeier, „wir müssen uns darum kümmern, dass die Attraktivität der dualen Ausbildung wieder größer wird“.
Daneben fand er deutliche Worte zu den Themen Energiewende und Infrastruktur: „Eine Industrienation wie Deutschland kann nicht auf Dauer davon leben, dass wir vor Jahrzehnten mal gute Straßen und Schienennetze gebaut haben.“ Die Infrastruktur sei „das Nervensystem unserer Wirtschaft. Und dieses Kronjuwel ist in Gefahr.“ Deshalb sei ihm wichtig festzuhalten, dass man sich in den Koalitionsverhandlungen verständigt habe, fünf Milliarden Euro mehr in die Infrastruktur zu stecken. Bei der Energiewende gehe es darum, Planungs- und Versorgungssicherheit wieder in den Griff zu bekommen. Und vor allem die Kostendynamik.
Damit reagierte Steinmeier auf jene Forderungen, die IHK-Präsident Jürgen Fiege bei seiner Begrüßung unmissverständlich formuliert hatte. Er, so Fiege, habe „nichts gegen die sogenannte Energiewende, aber ganz entschieden etwas gegen eine inkonsequent vollzogene“. „Was wir nicht brauchen, sind ständig steigende Energiekosten für die Wirtschaft, die aus meiner Sicht Insolvenzen, Standortverlagerungen und massiven Arbeitsplatzverlust zur Folge haben.“
Unter großem Beifall legte Fiege den Finger in eine andere Wunde: Die Unternehmen im Ruhrgebiet hätten die „Befürchtung, dass eher im tiefsten Bayern eine Autobahn zwischen zwei Dörfern angelegt wird, bevor im international bedeutsamen Industrie- und Transitland NRW Schlaglöcher geflickt, gesperrte Brücken saniert und Autobahnen ausgebaut werden“. Deshalb schwinge in der Region die Angst vor einem Verkehrskollaps mit – und dass der Bund weiterhin tatenlos zuschaue.