Ob „Kopf oder Zahl“, „Nimm mich mit Alter“ oder demnächst in „Tschick“: Die Brüder Nils und Till Beckmann treten meistens zusammen auf. So auch in dem furiosen Klassiker-Schnelldurchlauf „Schiller. Sämtliche Werke . . . leicht gekürzt“. Das Stück wird in den Flottmann-Hallen am 31. Januar noch einmal gezeigt.

Beim Theater Kohlenpott stehen Sie fast immer zusammen auf der Bühne, und neuerdings auch noch in „Schiller. Sämtliche Werke . . . leicht gekürzt“. Gibt es Sie nur im Doppelpack?

Nils Beckmann: Es ist schwer, gute Leute zu finden, mit denen es Spaß macht zu arbeiten und mit denen man was Ähnliches erreichen will, und das funktioniert mit uns ganz gut.

Wie sind Sie denn in das Schiller-Stück geraten?

Till Beckmann: Ich habe in Krefeld am Kinder- und Jugendtheater Uwe Frisch kennengelernt und wir verstehen uns unglaublich gut. Der betreibt seit über 40 Jahren in Duisburg ein freies Theater, das Kom’ma-Theater, das ist aus so einer Hippie-Truppe entstanden. Und in diesem Theater hat auch Hilmi Sözer angefangen. Hilmi hat uns ein paar Mal auf der Bühne gesehen, und irgendwann gefragt, ob wir nicht Lust haben, das Abendprogramm zu revitalisieren.

Nils Beckmann: Überall wird das Programm zurückgefahren, und da hat er ein Abendprogramm gestartet, aus dem Nichts heraus, in Duisburg-Rheinhausen, einem Stadtteil, der brach liegt. Dass das in Rheinhausen und im Umland so gut angenommen wurde, hätte keiner gedacht. Mittlerweile kommen die Leute auch aus dem Ruhrgebiet und Düsseldorf.

Vom Ruhrgebiet nach Hamburg und Stuttgart

Die Brüder Till (28) und Nils (30) Beckmann sind in Wanne-Eickel aufgewachsen. Sie leben beide mit Freundin und Sohn in Bochum.

Ihre Schwestern Maja und Lina Beckmann sind ebenfalls Schauspielerinnen mit Engagements in Stuttgart und in Hamburg.

Die Geschwister sind als „Spielkinder“ seit 2009 mit der szenischen Lesung „Kohle, Kumpels & Kanal“ unterwegs, zum erweiterten Kreis gehören Uwe Frisch, Christoph Jöde und Charly Hübner.

„Schiller. Sämtliche Werke ... leicht gekürzt“ läuft am 31. Januar und 20 Uhr in den Flottmann-Hallen (mit Hilmi Sözer, Uwe Frisch)

Auch in den Flottmann-Hallen war das Stück ja ausverkauft...

Nils Beckmann: Das Stück ist gut gebaut, das hat eine schöne Dramaturgie. Man bekommt einen Eindruck von Schiller, ohne dass wir damit werktreu umgehen, im Gegenteil, wir versuchen, das aufzulockern. Das Stück trifft die, die an Schiller hängen und die Zitate kennen, und die, die mit Schiller nichts zu tun haben, sich aber über die Gags freuen, die wir aus dem Action-Film-Genre nehmen.

Till Beckmann: Es ist schnell und witzig und hat noch diesen kleinen Aufhänger, dass Hilmi sich als Türke den deutschen Dichter vorknöpft.

Läuft das Stück auch als Schülervorstellung?

Nils Beckmann: Wir testen das in Duisburg an. Im Februar und März sind die ersten Morgenvorstellungen. Wir haben uns etwas schwer getan, denn es dauert immerhin zwei Stunden mit Pause. Das ist die Frage, ob das für Schulen organisatorisch so gut zu leisten ist.

Till Beckmann: Es kommen nach Duisburg auch Schüler mit Lehrern, abends. Was ich auch schön finde. Abends ist das enfach noch mal etwas anderes. Zum Theaterbesuch gehört auch, dass man sich unterhält und was trinkt, das ist eine andere Stimmung.

Schiller, ein Muss in der Schule ist, bekommt plötzlich Farbe ...

Nils Beckmann: Das Schöne ist, dass wir auch biografische Aspekte einflechten. Als ich mich mit dem Leben und den Stücken beschäftigt habe, habe ich auf einmal wieder Lust bekommen, Schiller zu lesen.

Till Beckmann: Wir haben vorher im Theater Kohlenpott die „Räuber“ gespielt, da hatte ich mich aber nicht mit Schiller als Person beschäftigt. Jetzt im Vorfeld hab ich Biografien gelesen, das ist ja echt ein Wahnsinnsleben.

Gibt es eigentlich auch Kritik an dem Schnelldurchlauf?

Nils: Selten. Wenn wir uns lustig machen, dann ja sehr wohlwollend. Nur einmal ist eine ältere Dame kopfschüttelnd in der Pause rausgegangen und hat gesagt „Was machen die mit meinem Schiller?“. Aber den meisten gefällt’s.

Im Februar steht die nächste Premiere an: „Tschick“, ein Stück, das gerade überall gespielt wird.

Nils Beckmann: Weil es einfach gut ist. Meine Freundin ist Lehrerin an einer Berufsschule, die liest das gerade mit ihrer Schülern. Sie hat das noch nicht oft erlebt, dass Schüler so angefixt von einer Lektüre waren.

Till Beckmann: Ich wäre als Schüler auch total angefixt gewesen. Die Figuren werden ernst genommen, das spüren die jugendlichen Leser. Und das ist eine tolle Abenteuergeschichte. Da ist alles drin, diese Freundschaft, diese Sehnsucht auszubrechen ... das kennt jeder von uns

Nils Beckmann: Der Ton wirkt nie gewollt, gestellt oder anbiedernd. Es ist sehr gut geschrieben. Und es gibt überraschende Wendungen.

Tschick ist der Asi aus der Hochhaussiedlung, der Maik mitnimmt auf eine Tour mit einem geklauten Lada. Wer spielt wen?

Nils Beckmann: Ich spiele den Tschick. Das war für mich neu, dass ich mal nicht der Jugendliche aus gutem Haus war, der Nette.

Wie kam das?

Till Beckmann: Wir haben ein bisschen gelesen, da hatte Nils diesen Ton ganz schön getroffen. Er versucht gar nicht, den russischen Dialekt 1:1 nachzumachen.

Nils Beckmann: Ich bin über die Sprache ganz gut in das Gefühl reingekommen, was man sonst eher über den Körper versucht.

Und wie ist Maik so?

Till Beckmann: Bei dem geht's im Kopf hoch her. Da kann ich mich gut reinfühlen. Der lässt sich aber mitziehen. Ich fand es schon beim ersten Lesen toll, dass der seine Hemmungen und Ängste mal fallen lässt.

Was passiert auf der Reise?

Nils Beckmann: Der Vater hat Maik immer gesagt, die Welt ist schlecht. Aber auf der Reise treffen die beiden nur Menschen, die gut zu ihnen sind. Jetzt kommt er raus. Die Fahrt mit Tschick hat Maiks Leben verändert.

Till Beckmann: Das ist ein schönes Lebensgefühl, wenn man weiß: Die Leute sind nicht alle schlecht. Das trägt einen.

Haben Sie schon die „Tschick“-Inszenierungen in Essen und Bochum gesehen?

Till Beckmann: Nein. Ich möchte das nicht. Ich versuch das einfach auszublenden.


Nils Beckmann: Wir müssen das so gut machen, dass die Leute unsere Inszenierung sehen wollen.

Und wie geht es danach weiter?

Nils Beckmann: Für mich persönlich ist „Tschick“ die Abschiedsinszenierung. Ich gehe im September an das Junge Ensemble Stuttgart, spiele aber „Tschick“ und „Schiller“ weiter..

Und was wird aus den „Spielkindern“? Lina am Schauspielhaus Hamburg, Maja am Schauspiel Stuttgart, Nils in Stuttgart ... Gibt es neue Produktionen?

Nils Beckmann: Da arbeiten wir dran. Wir suchen uns gerade Kooperationspartner und ein neues Stück.
Vielleicht gucken wir auch mal ins Tanztheater. „Spielkinder“ ist für uns eine Experimentierplattform. Da können wir Dinge ausprobieren, für die sonst kein Platz ist.