Herne. Die neue SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering (SPD) war zu Gast in einer fünften Klasse des Pestalozzi-Gymnasiums in Herne. Sie diskutierten über Armut, Bildung und Chancengleichheit. Das gemeinsame Lernen war in der Inklusionsklasse dagegen gar kein Thema.
Die Tür zum Klassenraum 106 öffnet sich. 23 Köpfe drehen sich gespannt nach hinten. Wer von den vielen Leuten wohl die Politikerin ist? Die Schüler der fünften Klasse des Pestalozzi-Gymnasiums tuscheln aufgeregt miteinander.
In einer Inklusionsklasse soll die frisch gewählte SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering mit Schülern über Kinderrechte und Politik diskutieren. Solche Besuche gibt es schon seit Jahren. Organisiert werden sie vom Leiter des Herner Unicef-Teams Roland Wojta.
Doch einer Politikerin Fragen stellen oder gar diskutieren – das traut sich am Anfang der Stunde dann doch keiner. Deshalb gibt’s erst einmal eine kleine Einführung in Sachen Politik und Kinderrechte. Berührungsängste hat die Bundestagsabgeordnete bei ihrem Klassenbesuch nicht.
Inklusion ist für die Schüler selbstverständlich
Das Thema Ernährung packt dann auch die ersten Schüler. Ömer erzählt, dass er am liebsten Pizza isst, und sein Mitschüler hat einen Bruder, der acht Mandarinen am Stück gegessen hat. Das Eis ist gebrochen. Jetzt sprechen auch einige Mädchen wichtige Themen an. „Schon im Kindergarten sollen alle Kinder Deutsch lernen!“ Michelle Müntefering nickt: „Das ist ein kluger Gedanke.“ Nach einer halben Stunde der erste Blick aufs Handy: „Über was wollt ihr noch reden?“
Chancengleichheit, Armut, Bildung. Nur das Thema Inklusion scheint für die Schüler nicht erwähnenswert zu sein. Michelle Müntefering fragt, ob die Kinder schon einmal mitbekommen hätten, wie Behinderte geärgert werden. „Nein“, meint ein Junge und belehrt sie: „Wir sind doch eine Inklusionsklasse, für uns sind Behinderungen nichts Besonderes.“ Er möchte lieber über Armut reden – schließlich gebe es viele Obdachlose in Herne. „Viele betteln auch nur wegen Zigaretten um Geld. Die wollen oft gar kein Essen“, sagt ein Mädchen empört. Das Thema Zigaretten beschäftigt auch Nick: „Wer hat diesen Mist denn eigentlich erfunden?“ Darauf weiß dann auch eine Bundestagsabgeordnete keine Antwort.
Interview mit Schülerzeitung
Michelle Müntefering nutzt die Gelegenheit, um gleich mal für sämtliche Jugendeinrichtungen der Stadt Werbung zu machen. Und sie versucht, auch andere Probleme zu anzupacken. „Ihr müsst dafür sorgen, dass es mehr Kinder gibt“, rät sie den Fünftklässlern. „Damit nicht so viele Schulen geschlossen werden müssen.“ Die Schüler kichern.
Nach der Diskussion lassen sie es sich nicht nehmen, die 33-Jährige in ihr Lieblingsspiel – Ubongo – einzuführen. Für eine Runde hat sie noch Zeit, dann stellt sich die Abgeordnete den Fragen der gerade gegründeten Schülerzeitung. Zu dem Zeitpunkt sind die Fünftklässler schon längst wieder in ihr Spiel vertieft. Um 13.20 Uhr ist Schulschluss. Im Klassenraum 106 ist der Alltag wieder eingekehrt.