Herne. . An der Wiescherstraße werden im Jahr gut 100 Menschen (teil)anonym von der Stadt Herne beigesetzt, weil sie keine Angehörigen haben oder keine Mittel für eine Beerdigung da sind. Andere wählen diese Form der letzten Ruhe bewusst, weil sie ihre Familie nicht mit der Grabpflege belasten wollen.

Ein Mensch verlässt die Welt, ohne dass jemand um ihn weint. Kein Pfarrer am Grab, keine Lieder, kein Leichenschmaus. Für Monika Bußmann nicht vorstellbar, bis sie es als Sterbebegleiterin erlebte. Die alte Dame, der sie bis zum Tod beigestanden hatte, wurde als Verstorbene ohne Angehörige von der Stadt bestattet, wie 100 andere im Jahr. „Das hat mir die Augen geöffnet für einen Lebensbereich, den ich vorher nicht wahrgenommen habe.“

„Ordnungsbehördliche Bestattung“ nennt sich im Amtsdeutsch die einsame Variante einer Beisetzung. Das Ordnungsamt veranlasst sie immer dann, wenn keine Hinterbliebenen da sind, erklärt Stadtsprecher Christoph Hüsken, oder vielleicht nur ein Lebenspartner, der die Kosten nicht übernehmen muss. Auch wenn überhaupt kein Geld da ist, springt die Stadt ein. Hüsken: „Wir haben einen Anstieg festgestellt, seit die Krankenkassen das Sterbegeld erst reduziert und dann gestrichen haben.“ Das war 2004.

Gottesdienst für Unbedachte

Um die Kosten gering zu halten, werden die Toten eingeäschert und in einem besonderen Urnenfeld auf dem Hauptfriedhof bestattet, ohne Namenstafel. „Bekannte können aber bei der Beisetzung dabei sein“, so Hüsken. Bei Kirchenmitgliedern bemühe man sich auch um einen Pfarrer. „Wenn nicht, kann auch der Bestatter eine kleine Trauerrede halten.“ Eine Grabstätte bietet Platz für vier Urnen, die an einem Tag bestattet werden, aber immer zeitversetzt, „um die Beisetzung würdig zu gestalten“, sagt Hüsken.

Seit Februar erinnert vierteljährlich ein „Gottesdienst für Unbedachte“ an jene, die alleine starben. Für Katharina Henke eine positive Erfahrung. Sie gestaltet abwechselnd mit den Pfarrern Jens-Christian Nehme und Ludger Plümpe den ökumenischen Gottesdienst. „Das tut jedem von uns gut, diesen Personenkreis noch einmal in den Blick zu nehmen.“ 30 bis 40 Besucher wohnen einer solchen Feier bei. Menschen, die vom Tod des früheren Arbeitskollegen oder der Turnschwester gehört haben und wissen: Es gibt keine Beerdigung. „Wenn ich ihre Namen lese, berührt mich das“, sagt die Krankenhausseelsorgerin. „Es gibt viele Lebensgeschichten, von denen man nichts weiß.“ Monika Bußmann, die ehrenamtliche Sterbebegleiterin, ist froh, dass es den Gottesdienst für Unbedachte gibt: „Wir haben als Gesellschaft die Verantwortung, dieser Menschen zu gedenken.“

Namenlos sind aber nicht nur die Einsamen beerdigt: Auf einem zweiten Gräberfeld auf dem Hauptfriedhof ruhen diejenigen, die sich selbst eine solche Bestattung gewünscht haben oder deren Angehörige dies so entschieden haben. 65 Herner sind im letzten Jahr so beigesetzt worden.

Warum, weiß Krankenhausseelsorgerin Katharina Henke: „Es geht immer darum: ,Ich möchte meine Familie nicht belasten’“, sagt sie. Wenn die erwachsenen Kinder weit weg seien, wolle man ihnen nicht die Grabpflege zumuten. Sollten Angehörige dann doch einen Ort zum Trauern suchen, sei die genaue Stelle der Urne bei der Stadt zu erfragen. Dies hätten die Kirchen vor einigen Jahren angeregt.

„Die Zahl der anonymen Bestattungen steigt“, sagt Stadtsprecher Hüsken, der generell einen Trend zu „pflegeleichten“ Bestattungsformen registriert, die zudem wesentlich preisgünstiger sind. Für Bestatter Ralf Wendland gewinnen „pflegefreie“ Gräber gegenüber den anonymen an Beliebtheit: Gräber mit einer Platte oder Rasengräber erforderten keinen Aufwand, kämen aber dem Wunsch nach einem Trauerort entgegen.