Der neue Kreisverkehr an der Bielefelder Straße führt zu Differenzen zwischen der Stadt einerseits, dem ehemaligen Mitglied des Behindertenbeirates, Reinhard Schemberg, und der sehbehinderten Gertraud Drobner andererseits. Auch ein Ortstermin brachte keine Annäherung der Positionen.
Schon in der letzten Sitzung der Bezirksvertretung Eickel hatte es einen unfreundlichen Wortwechsel zwischen Tiefbauamtsleiter Josef Becker und dem ehemaligen Mitglied des Behindertenbeirates, Reinhard Schemberg, gegeben, als es um den behindertengerechten Ausbau des neuen Kreisverkehrs an der Bielefelder Straße/Kastanienallee ging. Und auch bei einem Termin vor Ort, der auf Initiative der WAZ-Herne zustande kam, zeigte sich: Die Fronten bleiben verhärtet.
Bodenindikatoren
Konkret bemängeln Reinhard Schemberg und die stark sehbehinderte Gertraud Drobner, dass der Kreisverkehr nur eingeschränkt barrierefrei ausgebaut sei und insbesondere Bodenindikatoren fehlten, mit deren Hilfe sich Sehbehinderte orientieren können. So sei eine sichere Straßenquerung nur an der „kleinen“ Dorneburger Straße möglich, eine Überquerung der Kastanienallee dagegen gar nicht. Und um die Bielefelder Straße zu überqueren, müsse ein großer Umweg gemacht werden, um zum beampelten Überweg zu kommen. Und dort fehlten ebenfalls die Bodenindikatoren. „Wer sich dort nicht auskennt, findet die Ampel gar nicht“, kritisiert Schemberg.
Der Kreisverkehr, hält Jürgen Klein Altstedde vom Fachbereich Tiefbau und Verkehr dagegen, entspreche dem Regelausbau und sei in dieser Form auch mit dem Arbeitskreis barrierefreies Bauen abgestimmt. Durch die Ansiedlung des neuen Netto-Supermarktes an der kleinen Dorneburger Straße sei es notwendig geworden, die Verkehrsführung in diesem Bereich neu zu regeln. Mit dem Kreisverkehr sei eine praktikable und finanzierbare Lösung gefunden worden. Im Zuge des Umbaus sei die Chance genutzt worden, auch die beiden ÖPNV-Haltestellen an der Bielefelder Straße barrierefrei zu gestalten.
Haltestellen umgebaut
Bei der Planung müsse die Stadt alle Verkehrsteilnehmer im Auge haben, mit höchster Priorität für die Sicherheit. Deshalb habe die Stadt für Sehbehinderte keine Überquerung der Kastanienallee vorgesehen: „Sie fänden im Anschluss keine mit dem Stock ertastbare Kante, die sie weiter leitet“, so Klein Altstedde. Sicherheitsaspekte seien auch der Grund, dass eine Überquerung der Bielefelder Straße für Sehbehinderte weder unmittelbar hinter von unmittelbar vor dem Kreisverkehr angeboten werde: Hinter dem Kreisverkehr (aus Richtung Eickel kommend) sei auf der östlichen Seite ein Parkstreifen - Sehbehinderte würden dort vor abgestellte Wagen prallen. Und vor dem Kreisverkehr gebe es wegen der Haltestelle, an der auch Gelenkbusse halten, zu wenig Platz.
Die Mittelinsel vor dem Kreisverkehr habe als Querungshilfe zwar für Gehbehinderte ausgebaut werden können, so Klein Altstedde. Für Sehbehinderte sei eine Überquerung an dieser Stelle aber zu gefährlich, weil sie Busse und Autos, die dort halten, nicht sehen könnten. Und auf der östlichen Seite führen Busse manchmal über den abgesenkten Bereich: „Deshalb darf dort niemand stehen. Schon gar nicht jemand, der die Gefahr nicht kommen sehen kann.“ Vor allem bemängelten Schemberg und Drobner jedoch den Umweg zur Ampel und die dort fehlenden Bodenindikatoren, die, so Klein Altstedde, erst gelegt werden, wenn die gesamte Kreuzung Holsterhauser-/Dorneburger-/König- und Bielefelder Straße angegangen werde. Und das sei der Fall, sobald die völlig überalterte Ampelanlage ausfalle. Die neue Ampel soll dann auch Blindentaster bekommen; bei der alten sei das nicht mehr möglich.
Schemberg und Drobner wollten dies alles nicht gelten lassen und sprachen von einer fehlerhaften Planung, die nicht nur in diesem Fall eine Teilhabe Behinderter am öffentlichen Leben nicht möglich mache. Das wollte Bettina Szelag, Vorsitzende des Behindertenbeirates, so nicht stehen lassen. „Es wird hier schon viel gemacht“, sagte sie. So sei ein großer Teil der Haltestellen mittlerweile barrierefrei, bei Sanierungen und Umbauten werde dieser Aspekt immer berücksichtigt. „Aber auch Sehende“, so Szelag, „müssen manchmal Umwege nehmen.“