Herne/Wattenscheid. Beim „Roadsense“-Verkehrstraining werden Schüler der Erich-Fried-Gesamtschule für Risiken im Straßenverkehr sensibilisiert, damit sie auch als Mitfahrer wissen, was in brenzligen Situationen zu tun ist und wie sie dem Fahrer helfen können.
Freitagabend. Draußen ist es dunkel, es regnet schon den ganzen Tag. Der Scheibenwischer schafft es kaum, das Wasser zu verdrängen. Die Straße liegt voller Herbstlaub. Drinnen ist die Stimmung ausgelassen. Die Musik dröhnt aus den Boxen, der Wodka fließt fast schneller als der Regen. Auf der Rückbank hat die Party längst begonnen. Bis zur Disco ist es nicht mehr weit, jetzt noch mal Vollgas geben. Dann ein Knall, Scherben überall, der Wagen fliegt durch die Luft, bleibt viele Hundert Meter weiter auf dem Dach liegen. Stille. Das Heulen der Sirenen hören vier der fünf Freunde nicht mehr.
Damit solche schrecklichen Disco-Unfälle nicht mehr passieren, hat Mercedes-Benz das Verkehrstrainings-Programm „Roadsense“ ins Leben gerufen. Auch die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9b der Erich-Fried-Gesamtschule haben im Lueg-Center in Bochum-Wattenscheid daran teilgenommen.
Fahrlehrer Theo Wolf dreht das Radio lauter. Der Bass wummert bis nach draußen. Marin stört das nicht. „Aber die Gruppe hat mir gesagt, dass ich dabei anders gefahren bin als vorher“, sagt der 15-Jährige später. Eine wertvolle Erfahrung.
Gefahren erkennen und handeln
Genau darum geht es bei Roadsense, dem „Mitfahrerprogramm“, wie Theo Wolf es nennt: „Wir wollen erreichen, dass sich die Jugendlichen mal äußern und Einfluss auf den Fahrer nehmen, ohne ihn anzugreifen“, sagt der 64-Jährige, der schon seit 42 Jahren jungen Menschen das Fahren beibringt. Die Mitfahrer sollen für Risiken, Gefahren und Konflikte sensibilisiert werden, um entsprechend handeln zu können.
Zum Beispiel auf der Autobahn, in einer Baustelle, wenn der Lkw rechts immer näher kommt. „Teilt dem Fahrer ruhig eure Gefühle mit . Sagt zum Beispiel ‘Oh, ist das eng’“, gibt Theo Wolf den Schülern mit auf den Weg. „Das ist nicht uncool.“
Gegenstände fliegen durch den Wagen
Jetzt sitzt Michelle am Steuer. Für die 14-Jährige eigentlich nichts Neues, in Kenia hat sie schon einen großen Traktor übers Feld gelenkt. Auf Zuruf steigt sie voll in die Eisen. Die Jugendlichen nicken unfreiwillig, die Bälle fliegen durch den ganzen Wagen. Zum Glück sind sie aus Schaumstoff. „Da hat man sich schon erschrocken“, räumt Lucas ein. Merke: Auf der Hutablage besser nichts ablegen, schon gar keine schweren Gegenstände.
So fährt ein Schüler nach dem anderen durch den Parcours und wechselt zwischen Fahrer- und Beifahrer-Perspektive. „Das Interesse war riesengroß“, sagt Klassenlehrerin Gabi Weis. Schon vor den Sommerferien hatte sie das Training gebucht. „Man weiß jetzt viel besser, was später auf einen zukommt“, sagt Michelle. Alle sind begeistert von dem Programm und nehmen viele lehrreiche Erfahrungen mit nach Hause.
Sehen, warum man im toten Winkel nichts sieht
Vorher geht es aber noch ins Sicherheitslabor. An verschiedenen Stationen lernen die Schüler, welches enorme Gewicht selbst leichte Gegenstände bei einem Aufprall bekommen oder sehen, warum sie im toten Winkel nichts sehen. Und wie sich das Gesichtsfeld eines Betrunkenen verändert, können sie mit einer Alkoholbrille selbst testen. Besonders aufregend wird es noch mal im Überschlags-Simulator. Der demonstriert, wie Sicherheitsgurte Leben retten. Anschließend müssen sich die Schüler unter Anleitung selbst befreien. Für den Fall, dass es doch mal zu einem Unfall kommt.
Nach dem eindrucksvollen Training aber hoffentlich nicht mehr an einem Freitagabend auf dem Weg zur Disco, wenn die Party in einer Tragödie endet.
Programm speziell für Schüler zwischen 13 und 15
Das „Roadsense“-Pogramm richtet sich an Schüler zwischen 13 und 15 Jahren. „In diesem Alter sind sie sehr aufnahmefähig, außerdem füllen wir damit die Lücke zwischen Fahrradprüfung und Autoführerschein“, sagt Tobias Dicke vom Autohaus Lueg. Im Ruhrgebiet machte das Verkehrstraining erst zum zweiten Mal Station. Premiere war vor einem Jahr, auch in Wattenscheid. Das Programm umfasst vier Stunden. In einem Teil durchfahren die Schüler in Automatik-Fahrzeugen mit Fahrschulausstattung einen Parcours mit praktischen Übungen. Hinzu kommen Theorie-Aufgaben und eine Gruppendiskussion. Weitere Informationen, Standorte und Termine auf www.roadsense.de.