Herne. . Dass sie als Kandidatin in der SPD-Hochburg Herne/Bochum mehr als gute Chancen hat, in den neuen Bundestag einzuziehen, weiß Michelle Müntefering natürlich. Darauf will sie die 33-Jährige aber nicht ausruhen.
Es ist ein kitschig-schöner Sommertag am Rhein-Herne-Kanal, der Himmel mit weißen Wölkchen betupft, ein Frachtschiff rauscht wellenschlagend Richtung Duisburg. Die SPD-Bundestagskandidatin Michelle Müntefering hat sich diesen Platz für Foto und Gespräch mit der WAZ ausgesucht.
Wahlkampf macht ihr Spaß
Energischen Schritts steuert sie trotz ihrer Pumps die Alleestraßenbrücke an, während der Glockenrock ihres hellgelben Sommerkleides bei jedem Schritt um ihre Knie schwingt. Ein Stil, in dem sie in letzter Zeit häufig zu sehen ist und der sie mit ihren nach hinten gebundenen Haaren damenhafter erscheinen lässt als es den meisten 33-Jährigen lieb wäre – hätte sie nicht, ganz unpassend und unkonventionell, zwei Getränkedosen in der Hand: „Wir suchen uns eine Bank und reden dann hier“, schlägt sie fröhlich vor.
Dass ihre Chancen nicht schlecht stehen, in der SPD-Hochburg Herne/Bochum über das Direktmandat in den Bundestag einzuziehen, weiß sie natürlich. „Das gibt mir Motivation“, sagt sie, „aber damit will ich mich nicht zufrieden geben.“ Und deshalb macht sie Wahlkampf, im Friseursalon, beim Kaffeeklatsch im Mehrgenerationenhaus an der Flottmannstraße, im Kleingartenverein in Bochum. „Wahlkampf“, sagt sie, „macht Spaß. So komme ich in jede kleine Ecke des Wahlkreises.“ Der Kontakt zum Bürger – dafür muss sie sich nicht verbiegen, das liegt ihr.
Hilfe vom Bund gefordert
Sie versteht sich als Botschafterin und Vertreterin des Reviers, insbesondere von Herne und Bochum. „Wir brauchen hier Hilfe vom Bund. Der Strukturwandel ist noch nicht abgeschlossen“, sagt sie, aber auch: „Wir verkaufen uns unter Wert.“ Und wenn die Aufmerksamkeit, die sie durch ihre Jugend und ihren prominenten Ehemann Franz Müntefering auf sich zieht, dazu beiträgt, das Revier und seine Themen in den Blickpunkt zu rücken – dann ist das so.
Zieht sie in den Bundestag ein, will sie in den Bereichen Verbraucherschutz und Infrastruktur mitarbeiten, bei Letzterem möglichst im Unterausschuss Kommunales – ein Bereich, in den sie ihre langjährige Erfahrung in der Lokalpolitik einfließen lassen kann; die Schieflage zwischen armen und reichen Städten sei ja auch kein reviertypisches Phänomen, sondern betreffe viele Regionen.
Wenn sie Einsparungen durch Schwarzgelb kritisiert, sei es bei Hilfen für Arbeitslose oder bei Strukturmitteln, hört sie sich manchmal so an, als sitze sie schon seit 30 Jahren im Bundestag. Dann wieder ist sie die lebhafte junge Frau, die mit breitem Grinsen Anekdoten erzählt, die sie als junge Wahlkämpferin mit Hernes verstorbenem Oberbürgermeister Willi Pohlmann erlebt hat. Manchmal verschwurbelt sie sich in Schachtelsätzen; aber sie kann auch Münterferingsch knapp: „Ich bin hier geboren. Ich bleibe hier. Hier ist es schön.“
Die drei ???
1 Warum haben Sie sich die Alleestraßenbrücke in Unser Fritz und den Kanal als Hintergrund für das Foto ausgesucht?
Der Kanal ist für Herne eine wichtige Verkehrsstraße. Außerdem wird hier sehr deutlich, dass Wandel möglich ist: Wo früher Kohle und Stahl dominierten, haben wir jetzt mit der Zeche Kunst, Kultur und Freizeit. Wir haben hier ein Neubaugebiet, aber auch die alte Zechensiedlung ist noch da. Ich kenne die Gegend hier von klein auf und bin früher mit dem Rad hier herumgekurvt. Das Ruhrgebiet hat Lebensqualität.
2 Hat sich Ihr neuer Nachname „Müntefering“ für Sie eher als ein Vor- oder ein Nachteil herausgestellt?
Beides. Ich habe den Namen meines Mannes angenommen, weil es einfach für mich wichtig war, einen gemeinsamen Familiennamen zu haben. Außerdem war ich schon vor meiner Heirat politisch aktiv und wäre auch ohne Franz in die Politik gegangen.
3 Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was Sie machen, sollten Sie nicht gewählt werden?
Ein Marathonläufer wird auch nicht darüber nachdenken, dass er sich zwei Kilometer vor dem Ziel den Fuß brechen könnte. Für mich war im vergangenen Jahr besonders wichtig, dass viele gesagt haben, der Generationenwechsel sei nötig und dass viele mich unterstützt haben. Nein, volle Energie und volle Konzentration und ein gutes Ergebnis holen. Das ist es.
Michelle Müntefering, geborene Schumann, wurde 1980 in Herne geboren und wuchs hier auf.
Sie besuchte die Hiberniaschule und wurde dort im Zuge der integrierten Berufs- und Allgemeinbildung 1997/’98 zur Kinderpflegerin ausgebildet. Im Jahr 2000 machte sie dort ihr Abitur.
Als Praktikantin war sie in der WAZ-Redaktion Herne und einer Nachrichtenagentur. Sie studierte Journalismus; Abschluss: B.A..
2008 bis 2009: Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag; 2008 bis 2010: Volontariat beim „Vorwärts“; seitdem freie Journalistin.
Mit 22 Jahren setzte sie sich in der Herner SPD als stellvertretende Parteivorsitzende durch, 2004 kam sie in den Landesvorstand der NRW SPD; sie gehört dem Rat der Stadt Herne an.
2009 heiratete sie den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering.