Herne. . Er sehe das Wohl der Stadt gefährdet und wolle Schaden abwenden. So begründete OB Horst Schiereck am Freitag seine Entscheidung, Widerspruch gegen den Ratsbeschluss zur Ausschreibung eines städtischen Grundstücks einzulegen.

Der OB hat die Notbremse gezogen, um „das Wohl der Stadt nicht zu gefährden“. So begründet Horst Schiereck am Freitag in einer Pressekonferenz seinen Widerspruch gegen die am Dienstag erfolgte Entscheidung des Rates. Dieser hatte einen eine Woche zuvor gefassten einstimmigen Beschluss des Hauptausschusses korrigiert und dadurch Vorgaben für die Vermarktung eines Grundstücks an der Langforthstraße/Jürgens Hof in Horsthausen geändert. Schierecks Widerspruch hat laut Gemeindeordnung aufschiebende Wirkung; der Rat soll in einer Sondersitzung am 30. Juli erneut einen Beschluss fassen.

Aufgrund des Votums des formal zuständigen Hauptausschusses hatte die Stadt das Grundstück über die WAZ und andere Medien öffentlich ausgeschrieben; die Anzeigen wurden ab Samstag, also drei Tage vor der Ratssitzung geschaltet. Das der Ausschreibung angefügte Exposé der Stadt besagt, dass der Käufer sich u.a. verpflichten muss, ein Pflegeheim mit 80 Plätzen sowie Altenwohnungen zu bauen.

Genau das hatte im Hauptausschuss zunächst die Grünen und später auch die Ratsmehrheit dazu gebracht, in dem Exposé die Pflegeheim-Vorgabe gegen den Begriff „innovative Wohnformen für ältere Menschen“ auszutauschen – auch unter Berufung auf Sozialdezernent Nowak. Dieser hatte im Hauptausschuss erklärt, dass es keinen Bedarf für ein Pflegeheim gebe.

Friedrichs: Von Nowak „überrascht“

Nowaks Aussage habe ihn überrascht, so Baudezernent Karlheinz Friedrichs auf Nachfrage. Er habe im Vorfeld ein Gespräch mit dem Leiter des Fachbereichs Soziales - Jürgen Auf’m Kamp – geführt, in dem dieser den Pflegeplatzbedarf bestätigt habe.

Nach der Ausschreibung hätten bereits mehrere Investoren Interesse bekundet, berichtet der OB. Das widerlege, dass ein Bedarf fehle. „Außerdem straft es die kursierenden Spekulationen Lügen, die Verwaltung habe die Ausschreibung auf einen Investor zugeschnitten.“

Wenn es im Rat bei der nachträglichen Änderung des Beschlusses bleibe, seien Schadensersatzansprüche von bereits in die Planung eingestiegenen Projektentwicklern zu befürchten. Er habe an den Bieterkreis die Bitte gerichtet, die Ratssitzung am 30. Juli abzuwarten.

CDU-Fraktions-Chef Schlüter übt derweil Kritik an OB Schiereck. Er verstehe das Aufhebens um den Ratsbeschluss nicht. Zwischen Ausschreibung und Beschluss hätten nur drei Tage gelegen. Er glaube nicht, dass einem Investor hohe Kosten entstanden sind. Er könne auch nicht nachvollziehen, dass der Fachbereich Soziales in den Prozess nicht enger eingebunden worden sei. Das sei völlig unüblich, sagt der Politiker (und Verwaltungsmitarbeiter Gelsenkirchens).

Akteneinsicht der Grünen

Kurz vor der Pressekonferenz der Verwaltung am Freitag hat die Grüne Fraktions-Chefin Dorothea Schulte Akteneinsicht bei der Stadt in den Planungsvorgang fürs Grundstück Jürgens Hof/Langforthstraße genommen. Es spreche einiges dafür, so ihr anschließendes Fazit, „dass bereits im Dezember 2012 mindestens ein Interessent für eine solche Einrichtung der Stadt bekannt war und die weiteren planerischen Vorgaben und das Grundstück auf diese/n Interessenten zugeschnitten worden ist.“ Von einer ergebnisoffenen Ausschreibung könne wohl nicht mehr gesprochen werden.

Es sei zudem sehr ungewöhnlich, dass ein Planungsdezernent einen für die Pflegeplanung zuständigen Fachbereichsleiter auf Bedarfe für ein Pflegeheim anspricht – wie in dem im Dezember geführten Gespräch geschehen. Und: In den im Juli von Friedrichs und dem Fachbereichsleiter erstellten Gedächtnisprotokellen werde das Gespräch sehr unterschiedlich geschildert.

Öffentliche Pressemitteilung der Stadt

„Der Beschluss des Rates der Stadt zur Vermarktung städtischer Grundstücke in der letzten Sitzung am Dienstag, 16. Juli 2013, hat mehrere Fragen aufgeworfen und zu Spekulationen sowie auch Fehlin-terpretationen geführt. Fakt ist, dass Oberbürgermeister Horst Schiereck das Wohl der Stadt durch die plötzliche und unvorhergesehene Änderung eines Beschlusses gefährdet sieht, den der Haupt- und Finanz-ausschuss in der Woche davor einstimmig bei zwei Enthaltungen gefasst hat. Dort wurde beschlossen, dass sich die Vermarktung der Grundstücke im Bereich Jürgens Hof / Langforthstraße an Investoren richten soll, die einen Bedarf an Pflegeplätzen und altengerechtem Wohnen decken. Diesen Bedarf bezweifelte in der Sitzung alleine Doro-thea Schulte von den GRÜNEN. Warum dann im Rat der Stadt eine Mehrheit für den Antrag der GRÜNEN stimmte, den ohne Gegenstimme gefassten Beschluss des Haupt- und Finanzausschusses in eben diesem Punkt zu ändern, war nicht nur für OB Schiereck und Baudezernent Karlheinz Friedrichs unerklärlich. Zumal der Bedarf an den be-schriebenen Pflegeplätzen auch vom städtischen Fachbereich Soziales bestätigt wird. Grund genug für den OB, dem Ratsbeschluss zu widersprechen. Nach der Gemeindeordnung kann er einem Beschluss des Rates spätestens am dritten Tag nach der Beschlussfassung unter schriftlicher Begründung widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass der Beschluss das Wohl der Gemeinde gefährdet. Und genau die-sen Tatbestand sieht Schiereck erfüllt: Auf die Ausschreibung der Verwaltung, die im Vertrauen auf den einstimmigen Beschluss des Hauptausschusses erfolgte, haben sich bereits mehrere Investoren gemeldet und Interesse bekundet. Das widerlegt zum einen dass der Bedarf fehlt, wie die Stadtverordnete Schulte vermutete. Und zum anderen straft es die inzwischen kursierende Spekulation Lügen, die Verwaltung habe die Ausschreibung auf einen bestimmten Investor zugeschnitten. Bleibt es bei der nachträglichen Änderung des Beschlusses, so befürchtet der OB außerdem Schadensersatzansprüche der Projektentwickler, die bereits in die Planung eingestiegen sind. An diesen Bieterkreis richtet er die Bitte, bis zur außerordentlichen Sitzung des Rates am 30. Juli 2013 mit der weiteren Arbeit abzuwarten, um weiteren Schaden abzuwenden. Der würde außerdem darin bestehen, dass die Stadt trotz leerer Kassen das Projekt für mehrere tausend Euro neu ausschreiben müsste. Ein Szenario, das der Oberbürgermeister gerne abwenden möchte: „Die Bürgerinnen und Bürger sowie auch die Verwaltung müssen sich auf Beschlüsse von politischen Gremien verlassen können, besonders, wenn sie einstimmig gefasst worden sind. Einen Bruch dieser Vertrau-ensregel, wie durch diesen Ratsbeschluss geschehen, halte ich für unverantwortlich“.

Öffentliche Stellungnahme der Grünen nach der Akteneinsicht

„Am 19.7.13 hat die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dorothea Schulte, Akteneinsicht genommen. Es sind folgende Ergebnisse festzuhalten:

1.Die vorgelegte Akte beginnt im März 2013 und scheint ab diesem Zeitpunkt vollständig zu sein.

2.Es fehlt der gesamte Vorlauf der Planung und der Ideengebung sowie Gespräche mit potentiellen Investoren.

3.In der Akte sind zwei Gedächtnisprotokolle der Herren Friedrichs (Dezernent) und Auf´m Kamp ( FB Soziales), die sich auf ein Gespräch im Dezember 12 beziehen; beide Protokolle wurden am 10.7.13 gefertigt.

•Das Gespräch wird von beiden Personen sehr unterschiedlich geschildert. Nach Aussage von Herrn Friedrichs hat er in dem Gespräch konkret die Frage nach einem Bedarf für eine Pflegeeinrichtung in Elpeshof gestellt. Diese Frage sei positiv beantwortet worden.

•Herr Auf´m Kamp schildert das Gespräch als eines ohne konkreten Hintergrund. Im Gespräch sei allgemein die Frage nach Bedarfen für Pflegeeinrichtungen gestellt worden, die er auf Grundlage des Bedarfsplans beantwortet habe. Hiernach seinen zuletzt für zwei Einrichtungen noch Bedarfe gegeben, von denen aber eine Einrichtung gebaut und 2011 in Betrieb gegangen sei (DRK Flottmannstr). Für eine weitere Einrichtung gäbe es einen Interessenten; Bau und Inbetriebnahme sei noch offen.

•Dieses Gespräch dient offenbar als Grundlage für die planerische Vorgabe „Pflegeheim mit 80 stationären Plätzen“ im Exposé für das Gelände Jürgens Hof/Langforthstraße.

Hierzu Dorothea Schulte: Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein Dezernent, der für Stadtplanung zuständig ist, einen für die Pflegeplanung zuständigen Fachbereichsleiter auf Bedarfe für ein Pflegeheim anspricht. Dies, und auch die sehr unterschiedlichen Gesprächserinnerungen, sprechen doch dafür, dass offenbar bereits im Dezember 2012 mindestens ein Interessent für eine solche Einrichtung der Stadt bekannt war und die weiteren planerischen Vorgaben für das Grundstück auf diese/n Interessenten zugeschnitten worden ist. Von einer ergebnisoffenen Ausschreibung kann hier wohl nicht mehr gesprochen werden.

Dass in einer Akte, die im März 13 beginnt Vorgänge aus dem Dezember 12 enthalten sind, spricht auch dafür, dass die zur Akteneinsicht vorgelegten Dokumente nicht vollständig sind.“