Herne. . Gerhard Riedl (79) erinnert sich an den 17. Juni 1953. Zur Zeit des Volksaufstandesin der DDR lebte er als angehender Lehrer in Erfurt.

Während des Gesprächs mit der WAZ kramt Gerhard Riedl (79) in seiner Tasche, packt dabei zwei Bücher auf den Tisch, damit er in seiner Tasche besser nachschauen kann. Eines der beiden Werke hat den Titel „17. Juni 1953“. Gerhard Riedl wohnte zu dieser Zeit in Erfurt in DDR und erlebte dort den Volksaufstand mit. Die Bundesrepublik Deutschland gedachte dieses Aufstands von 1954 bis 1990 mit dem „Tag der deutschen Einheit“.

Wahlen und Wiedervereinigung

In der ganzen Deutschen Demokratischen Republik demonstrieren am 17. Juni 1953 Menschen gegen die Politik und Wirtschaft der SED (Sozialistische Einheitspartei) und fordern eine Senkung der Normen, Freilassung der politischen Häftlinge, Rücktritt der Regierung, freie Wahlen und die Einheit Deutschlands. Die SED schlägt die Proteste mit Hilfe der Sowjetunion blutig nieder. 55 Todesopfer sind durch Quellen belegt.

„In Erfurt ging es gar nicht um Normenerhöhung und Lieferengpässe“, sagt Gerhard Riedl. Dort habe man auch erst zwei Tage später, am 19. Juni, „versucht, auf die Straße zu gehen“. Vielmehr sei es in Erfurt um freie Wahlen und die Wiedervereinigung gegangen. Am 17. Juni war es dort laut Riedl auf den Straßen vollkommen ruhig: „Man sah ein bisschen mehr Polizei und Volkspolizei – aber sonst auch nichts.“

Von Volkspolizei aufgegriffen

Aber dann – am 19. Juni – kam es für den unbeteiligten angehenden Lehrer dicke: Auf dem Heimweg vom Sport erfuhr der damals 19-Jährige von dem am Nachmittag ausgerufenen Ausnahmezustand. Unterwegs sah er auch sowjetische Soldaten mit Kettenfahrzeugen, kleinen Geschützen und Maschinengewehren, die sich damit auf der Straße und auf dem Werksgelände des VEB Funkwerks positionierten, um Arbeiterproteste zu verhindern.

Als Riedl nach 20 Uhr noch auf der Straße war, wurde er auf dem Erfurter Domplatz von der Volkspolizei aufgegriffen. „Sie hat mich und andere eingesammelt und unter wüsten Beschimpfungen, Schlägen und Fußtritten auf einen Lkw gesteckt“, erinnert sich der 79-Jährige. Drei Tage lang saß Riedl im Untersuchungsgefängnis der Stasi ein, dann konnte er gehen.

Er habe sich mit dem Thema beschäftigt, „einiges noch mal nachgelesen“, so Riedl, aus dem historisch-politisches Wissen gepaart mit persönlichen Erlebnissen nur so heraussprudelt. „Ich habe mir Literatur besorgt, um die zeitlichen Abläufe der Geschehnisse einordnen zu können.“ Und vor allem für den Zeitraum vor dem 17. Juni 1953 verhalte es sich so: „Das meiste hat man ja damals gar nicht so wahrgenommen, das rauschte vorbei, man war ja nicht unmittelbar betroffen.“