Herne. . Dort lebten im letzten Jahr in der Mehrheit Frauen mit Migrationshintergrund. Ihnen droht bei Konflikten eine Trennung von der ganzen Familie.
Wenn Frauen im Herner Frauenhaus Zuflucht suchen, finden sie dort Schutz, egal woher sie kommen. Die neuesten Zahlen belegen: Jede zweite Bewohnerin hat keinen deutschen Pass. Ausländische Wurzeln haben sogar 84 Prozent. Wie erleben sie das Frauenhaus? Hilft es ihnen, sich nicht nur aus unterdrückenden familiären Verhältnissen oder Beziehungen zu befreien, sondern sich auch in Deutschland mehr zu Hause zu fühlen? Darüber dachten nicht nur ehemalige Frauenhaus-Bewohnerinnen kürzlich beim Frauenfrühstück nach, sondern auch die Ex-Bewohnerinnen Faride und Melina bei einem Kaffee im Frauenhaus, zu dem neben der WAZ auch Nurten Özcelik als stellvertretende Integrationsratsvorsitzende eingeladen war.
„Nicht die Familie belasten“
„Ich wollte ins Frauenhaus, um die Familie nicht zu belasten“, schildert Faride (58) ihre Motivation, nach der Trennung von ihrem Mann dort um Aufnahme zu bitten. 20 Jahre ist das her. Die Diplomatenfamilie war 1989 vor den Mudschaheddin aus Afghanistan geflüchtet und hatte in Deutschland Asyl bekommen. Aber Eheprobleme nahmen Überhand, so verließ die Lehrerin ihren psychisch kranken Mann. Im Herner Frauenhaus kam sie unter und meldete sich gleich für einen Deutschkurs an. Und sie begleitete Hildegard Lichtner-Wiesinger, eine der Mitarbeiterinnen, in einen Volkshochschulkurs für Frauen, die von Gewalt betroffen waren. Heute ist Faride Deutsche. Sie verdient ihr Geld in der Pflege in einem Altenheim. Alle drei Kinder sind in Ausbildung oder studieren. Ihr Freundeskreis ist international.
„Deutschland heißt Sicherheit“
Viel frischer ist die Gewalterfahrung noch für Melina aus Griechenland (Name und persönliche Angaben geändert). Sie kam vor zwei Jahren ins Frauenhaus, weil ihr Ehemann sie psychisch drangsalierte. Für sie heißt Deutschland vor allem: „Sicherheit“. Nach vielen Jahren in der Gastronomie verlor sie ihren Job, als sie vor ihrem Mann flüchten musste. „Trotzdem habe ich Sicherheit gehabt“, sagt sie. In ihrer Heimat gibt es keine Frauenhäuser. „Da muss man viel erdulden, weil man keine Wahl hat.“ Melina musste sich an Deutschland erst gewöhnen. „Nichts ist gleich“, hat sie festgestellt. Ist sie integriert? Sie habe nach und nach die Gewohnheiten des fremden Landes angenommen, sagt sie, so dass ihr Freunde in der Heimat sagen: „Du bist deutsch geworden.“
Nurten Özcelik sieht das Frauenhaus als Ort, das den Mädchen und Frauen helfe, ein „eigenständiges Leben“ zu führen, „so zu leben, wie man möchte.“ Nicht zur Heirat gezwungen zu werden etwa. Die Integrationspolitikerin erinnert sich, in ihrer Kindheit erstmals von einem Mädchen gehört zu haben, das ins Frauenhaus floh. Wer dort war, sagt sie, galt damals nicht mehr als heiratsfähig.
Die ersten Schritte in die Autonomie begleiten: Darin sehen die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen ihre Aufgabe. Sich gegen arrangierte Ehen oder Gewaltdrohungen zur Wehr zu setzen, koste Mut, sagt Olga Kornev. „Wenn die Frauen hierher ziehen, bedeutet das eine Trennung von der ganzen Familie. Das Frauenhaus wird dann oft zum Ersatz.“
59 Frauen und 56 Kinder haben im Frauenhaus gelebt. Drei von vier Frauen flohen vor dem Partner, der Rest vor Eltern, Kindern oder Verwandten. Eine Frau war von Zwangsheirat bedroht.
24 Frau en wohnten bis zu einer Woche im Frauenhaus, 22 Frauen bis zu drei Monaten und 13 Frauen länger als drei Monate.
Jede Vierte zog nach dem Aufentalt im Herner Frauenhaus in ein anderes Frauenhaus. Elf Frauen gingen in die alte Wohnung zurück, neun in eine eigene Wohnung und acht zu Freunden oder Verwandte. Bei zehn Frauen war die neue Adresse unbekannt.
Von den 59 Frauen hatten 50 einen Migrationshintergrund, 33 hatten eine andere Staatsangehörigkeit.
17 Plätze stehen zur Verfügung. Sie waren zu 75 Prozent belegt.