Herne. . Sozialarbeiter Willi Karasch (57) bietet „mangels Masse“ keine Kurse mehr fürrechtsradikale jugendliche Straftäter im Jugendzentrum „Die Wache“ an
Wenn heute der NSU-Prozess in München beginnt, schaut ein Mann in Herne ganz besonders aufmerksam hin. Willi Karasch, Diplom-Sozialarbeiter und Leiter des Jugendzentrums „Die Wache“, hat jahrelang rechtsgerichtete jugendliche Straftäter betreut. Skandalöser als das Vergabeverfahren für die Presseplätze im Gerichtssaal findet der 57-Jährige, dass die NSU-Zelle jahrelang morden konnte, ohne dass von Seiten der ermittelnden Behörden ein rechtsextremistischer Zusammenhang erkannt wurde. Seitdem sich die hiesige Kameradschaft aufgelöst habe, gebe es in Herne keine rechtsmotivierten Straftaten mehr.
Informationen vom Staatsschutz
„Ich habe Anfang des letzten Jahres mit dem Staatsschutz telefoniert. Die hatten auch keine Hinweise“, sagt der Sozialarbeiter. Zwischen 2003 bis 2009 – in dieser Zeit habe es viele rechtsorientierte Jugendliche in Herne gegeben – habe er sich regelmäßig vom Staatsschutz über dessen Einschätzung der Lage vor Ort informiert. Wenn sich nach dem Aus der Kameradschaft Herne vor Jahren wieder größere Cliquen gebildet hätten, wäre ihm das nicht entgangen, so Karasch. Vielleicht habe die Szene erkannt, dass Herne kein Nährboden für Nazis sei.
„Man kennt mich“, so der 57-Jährige. „Wenn irgendjemand auffällt, bekomme ich Bescheid.“ Aktuelles Beispiel: Eine Lehrerin habe ihm einen etwa 16-jährigen Schüler gemeldet, der durch entsprechende Äußerungen auffällig geworden war. Er habe sich daraufhin mit den hilflosen Eltern in Verbindung gesetzt. „Manchmal wenden sich Eltern auch an mich.“Bei solchen Jugendlichen handele es sich heute um absolute Ausnahmefälle, betont der Sozialarbeiter. Im Falle des 16-Jährigen sind jetzt Demokratiespiele im Klassenverband geplant.
Acht bis zwölf jugendliche Straftäter aus dem rechten Bereich nahmen seinerzeit an den Kursen im Jugendzentrum „Die Wache“ teil. Ihre Vergehen: Darstellung verfassungswidriger Kennzeichen, Volksverhetzung, Körperverletzung mit rechtsradikalem Hintergrund, Bedrohung/Nötigung mit rechtsradikalem Hintergrund etc. Teils kamen sie freiwillig, um ihr Strafmaß zu mildern, teils, weil das Gericht ihnen die Teilnahme zur Auflage gemacht hatte. „Mangels Masse“ gebe es heute keine Kurse, sagt Karasch. Straftaten dieser Art seien zurückgegangen. Diskussionen und Freizeiten haben seinerzeit auf dem Kursprogramm der rechten Jugendlichen gestanden. Sollte sich die Lage wieder verschlechtern, werde man entsprechend arbeiten. Solange bleibe seine Arbeit präventiv.
Kann er den NSU-Prozess für die Arbeit nutzen? „Man könnte ihn anführen, um zu zeigen, dass Rechtsradikalismus nicht nur vor 80 Jahren Thema war.“