. Nach 14 Jahren in Diensten der Stadt geht Kämmerer Peter Bornfelder zum 1. Mai in den Ruhestand. Im Interview blickt er zurück und verrrät Zukunftspläne. Und: Wegbegleiter äußern sich zum Wirken Bornfelders.
Sie haben in Ihrer letzten Ratssitzung erklärt, dass Sie nun vom Maschinenraum aufs Sonnendeck wechseln. Wie verbringt ein Kämmerer im Ruhestand seine Zeit auf dem Sonnendeck?
Peter Bornfelder: Ich werde viel Sport treiben, insbesondere Fahrradfahren als längere sportliche Betätigung und morgendliches Joggen als kurzzeitige sportliche Betätigung. Darum wird sich Lektüre ranken, wobei ich viele Schwerpunkte habe und noch gar nicht weiß, worauf ich mich als erstes stürzen werde. Und dann natürlich Urlaub und all diese Dinge. Ich habe seit 30 Jahren eine Ferienwohnung im Sauerland, in Schmalenberg. Meine Frau ist seit zehn Jahren im Rollstuhl, deshalb ist es zurzeit noch etwas aufwändiger, dorthin zu fahren. Aber das kann man ja nun alles besser planen. Ein Problem ist natürlich, dass man seinen Ruhestand theoretisch gut planen kann, doch was dann tatsächlich passiert, muss man dann erst einmal abwarten
Stichwort Lektüre: Welche Favoriten haben Sie?
Wenn es um Belletristik und Unterhaltung geht, lese ich überwiegend Kriminalromane – Lokalkrimis! In Sachen Regionalkrimis, vor allem Grafit-Verlag, bin ich fast vollständig sortiert. Die lese ich bisher in der Regel von abends bis Mitternacht. Am meisten bewegen mich aber Biographien. Mich interessiert die Entwicklung einer Persönlichkeit. Wenn es Biographien des aktuellen politischen Geschehens sind, dann fragt man sich immer: Was ist in diesen Biographien beeinflusst verlaufen – positiv wie negativ.
Zum Beispiel?
Ich habe das jetzt in mehrfacher Hinsicht gedanklich in den Biographien nachvollziehen können in den Biographien von Peer Steinbrück. Er ist mir auf meinem beruflichen Werdegang längere Zeit begegnet: Er war Büroleiter bei Ministerpräsident Johannes Rau, ich war Büroleiter bei Finanzminister Heinz Schleußer. Viele der Elemente, die man heute in seiner Persönlichkeit positiv wie negativ bewertet, waren damals schon bei ihm angelegt.
Wer Sie kennt, kann sich schlecht vorstellen, dass Sie als Kämmerer mit Leidenschaft von einem Tag auf den anderen komplett loslassen. Welche Rolle werden die städtischen Finanzen in Ihrem Ruhestand spielen?
Ich werde natürlich versuchen, grundlegende aktuelle Entwicklungen in der kommunalen Finanzlandschaft weiter zu verfolgen, gerade auch die sich abzeichnenden Gefahren für das System der Gemeindefinanzierung. Ob ich das mit der bisherigen Tiefe machen werde, weiß ich nicht. Ich habe viele Materialien, die ich mir erarbeitet und angelegt habe, mit nach Hause genommen. Da kann ich immer wieder nachschlagen, wenn es um Verweise auf frühere Gutachten und Stellungnahmen geht. Es ist einfach das Interesse: Wie geht es weiter?
Und wie geht es weiter?
Meine Erwartung ist, dass die Jahre bis 2020 sehr schwierig werden. Das hängt auch damit zusammen, dass viele der sich aktuell entwickelnden Probleme in unser Finanzsystem noch gar nicht eingepreist sind – zum Beispiel all das, was gerade bei Opel passiert. Die von Opel betroffen Städte müssen aber jetzt schon reagieren und mit höheren Belastungen durch Sozialtransfers rechnen. Dann muss man einräumen, dass die wesentlichen Konsolidierungsträger - unsere Beteiligungsgesellschaften wie zum Beispiel die Stadtwerke und die Sparkasse – aus unterschiedlichen Gründen vor besonderen Herausforderungen stehen, die die Gewinnerwartungen ins Risiko stellen. Die größte Gefahr sehe ich aber darin, dass die Schuldenbremse dazu führen kann, dass bisher von Bund und Land finanzierte Leistungen auf die Kommunen heruntergedrückt werden. Das wird noch stärker dazu führen, dass unsere Finanzausstattung nicht aufgabengerecht ist.
Werden Sie sich in Zukunft öffentlich in die Diskussion einschalten?
Nein, das habe ich nicht vor. Ich habe es immer als sehr wohltuend empfunden, dass sich mein Vorgänger Heinz-Peter Drenseck nie öffentlich zu finanzpolitischen Fragestellungen geäußert hat. Ich will das im Wesentlichen auch so halten – getreu dem Erfahrungsprinzip von Johannes Rau: „Ratschläge sind fast immer nur Schläge“.
Sie haben in Herne für die SPD im Rat gesessen. Können Sie sich ein politisches Comeback vorstellen?
Nein, ich bin in einem Alter, in dem ich gut daran tue, nicht noch einmal als Hinterbänkler anzufangen. Ich habe meine politischen Erfahrungen gesammelt, es waren interessante Jahre. Ich habe es lange als wissenschaftlicher Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion miterlebt, wie Politik gruppendynamisch funktioniert und wie man agieren muss, wenn man Überzeugungen verändern will. Nicht immer ist das bessere Argument auch der Schlüssel zum Erringen einer Mehrheit. Es geht um Netzwerke. Man muss ein netter Mensch sein, um Unterstützung zu finden. Wer übellaunig durch die Welt geht, muss damit rechnen, dass er abgestraft wird – trotz guter Argument, die er in der Sache vorbringt. Das sind Erfahrungen, die einem auch als Kämmerer zu Gute kommen, wenn man für eine Sache streitet.
Im Rat ist zuletzt häufiger geunkt worden, dass Sie im Falle weiterer Verschlechterungen als von der Bezirksregierung eingesetzter Sparkommissar in die Verwaltung zurückkehren könnte. Ein Scherz?
Ja, das ist ein Scherz. Im Ernst: Erstens wird die Frage sein, ob ein Spar- oder Sparkommissar überhaupt helfen kann. Ich glaube das nicht, weil er im Regelfall nicht die besseren Erkenntnisse hat als ein Kämmerer, der seinen Haushalt seit Jahren intensiv betreut. Die Funktion des Sparkommissarsist ja die, anstelle der bürgerschaftlichen Gremien oder der Gemeindeorgane Entscheidungen zu treffen. Das ist für die Politik ganz angenehm, weil sie nicht selbst die grausame Medizin verabreichen muss. Ob die Landesregierung von diesem Instrument Gebrauch machen wird, sehe ich aber eher zurückhaltend.
Gab es etwas in Ihrer Amtszeit, das Sie im Nachhinein als Fehler bezeichnen oder aus heutiger Sicht anders machen würden?
Eigentlich nicht. Zumindest nichts, was erwähnenswert oder spektakulär wäre. Man hätte vielleicht früher auf den Zusammenhang zwischen Leistungsangebot gegenüber dem Bürger und Finanzierungsnotwendigkeit durch die Bürger hinweisen müssen. Auf diesen Mechanismus hätte man früher hinweisen müssen, auch wenn man häufig wie ein einsamer Rufer in der Wüste gegolten hätte. Das Problem der Kämmerer ist, dass sie über viele, viele Jahre die Mahner-Rolle einnehmen mussten, was in der Politik das Gefühl vermittelt: Die haben schon immer so geredet und es ist schon immer noch irgendwie gegangen, also muss man das nicht ernst nehmen. Und eins ist gruppendynamisch immer spannend: Es lässt Ihnen nie jemand zu, dass Sie alle Schlachten gewinnen. Die Kunst liegt darin, diese Niederlagen so passieren zu lassen, dass sie ins eigene Konzept passen.
Welche Schlacht hätten Sie denn gerne gewonnen als Kämmerer in Herne?
Zum Beispiel bei der Frage, ob Vereine für die Nutzung der Sportstätten Entgelte zahlen muss. Die Politik hatte aber einen Pakt mit dem Sport geschlossen, in dem dies nicht vorgesehen war. Bisher hat keiner an diesem Prinzip oder Dogma rütteln wollen.
Wird es einen fliegenden Wechsel zu Ihrem Nachfolger Hans Werner Klee geben oder werden Sie die Amtsgeschäfte Ende April geben?
Das wird im Prinzip einen fliegenden Wechsel geben. Gespräche sind geführt worden, insbesondere auch mit den wesentlichen Mitarbeitern im Tagesgeschäft. Und dann muss man versuchen, mit den häufig gar nicht planbaren Herausforderungen im Tagesgeschäft fertig zu werden.
Haben Sie Herrn Klee nach dessen Wahl gratuliert oder haben Sie ihm angesichts der finanziellen Situation Ihr Beileid ausgesprochen?
Wer sich auf eine solche Stelle bewirbt, weiß, welches Risiko er eingeht. Von daher gab es keinen Grund, ihn zu bedauern. Ich habe es anerkannt, dass er eine schwierige Aufgabe schultern will. Deshalb hat er meinen vollen Respekt.
Die Vita: Juristerei liegt in der Familie
Geboren wurde Peter Bornfelder 1948 in Hamm – „im Windschatten des Oberlandesgerichts“, sagt der Jurist. Sein Vater war Angestellter dieses Gerichts und auch Peter Bornfelder schlug diese Richtung ein: 1978 legte er die 2. juristische Staatsprüfung ab – am OLG Hamm.
Seine beruflichen Stationen: NRW-Finanzministerium (1981-83 und 1988-93), die SPD-Landtagsfraktion (1933-1998) und die Fachhochschule für Finanzen (1993-99).
In Herne lebt der Sozialdemokrat seit 1963, zunächst in Herne-Süd, mittlerweile in Horsthausen. Die Bornfelders haben drei Kinder – einen Sohn (38) sowie zwei Töchter (29 und 21). Sein Sohn Peter Bornfelder junior ist ebenfalls Jurist und Genosse.
Und das sagen Wegbegleiter über Peter Bornfelder
Frank Dudda, Chef der SPD-Ratsfraktion: „Er war für uns das finanzpolitische Barometer. Sturmerprobt, stets weise, vorausschauend, immer mit klarer Kante verfolgte er seinen Auftrag zum Wohle unserer Stadt. Ein mit allen Wassern gewaschener Politikprofi und Meister der Schachtelsatzrhethorik. Trotz enormer Finanzengpässe ist ihm stets die Balance zwischen Sparsamkeit und dem Erhalt einer lebenswerten Stadtentwicklung gelungen.“
Norbert Arndt, Verdi: „Als Kämmerer hat uns Herr Bornfelder geraten, den Kakao zu trinken, durch den wir gezogen werden. Den Gefallen haben wir ihm - bei aller Wertschätzung seiner fachlichen Kompetenz - nicht getan.“
Horst Schiereck, Oberbürgermeister: „Mit Peter Bornfelder verliert die Stadt Herne einen hervorragendenFinanzfachmann und erfahrenen Kämmerer. Mit dem Beteiligungsmanagement hater einen großen Teil des „Konzerns Stadt“ mit einer erheblichen Bandbreite entscheidend und sicher gelenkt. Während seiner Wahlzeit waren mit der Ausgliederung von städtischen Aufgabenbereichen wie entsorgung herne und Gebäudemanagement Herne sowie dem „Herner Modell“ bei der Stadtentwässerung, das als beispielhaft für Nordrhein-Westfalen gilt, tiefgreifende Änderungen erforderlich, die er souverän umgesetzt hat . Dazu hat er die Umstellung der kameralistischen Haushaltsführung auf die doppische Buchführung, zuletzt unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen durch das Stärkungspaktgesetz, gestaltet. Persönlich verliere ich einen Mitstreiter, dessen stets verlässliche und aufrichtige Art ich sehr vermissen werde.“
Markus Schlüter, Vorsitzender der CDU-Ratsfraktion: „Stadtdirektor Peter Bornfelder hat es immer verstanden, den notwendigen Spagat zwischen den Funktionen als ,politischer’ Dezernent und als Ansprechpartner für die Fraktionen und Gruppen im Rat hinzubekommen. Bei vielen – auch kontroversen – Diskussionen ist er stets hart in der Sache geblieben, hat aber durchaus auch großes Verständnis für andere Sichtweisen gezeigt. Die Stadt Herne verliert einen wichtigen Lotsen im stürmischen Meer der Haushaltskonsolidierung.“
Georg Lunemann, Kämmerer der Stadt Gelsenkirchen: „Als mich im Jahr 2010 mein erster Antrittsbesuch – ich war gerade einige Wochen Kämmerer in Gelsenkirchen – zu meinem Herner Kollegen führte, war mir Peter Bornfelder insbesondere wegen seiner allseits anerkannten Expertenstellung zum Gemeindefinanzierungsgesetz ein Begriff. Zu diesem Zeitpunkt war Herr Bornfelder bereits über 10 Jahre in Amt und Würden und damit schon ein „alter Hase“ unter den kommunalen Schatzmeistern. Heute, einige Haushaltspläne und vor allem Sparrunden später, empfinde ich die Zusammenarbeit mit Peter Bornfelder als genau so angenehm wie am ersten Tag. Seine Art mit Menschen umzugehen, seine fachliche Kompetenz rund um alle kommunalen Finanzfragen, aber auch sein feinfühliges Gespür für politische Entscheidungsprozesse haben mir dabei besonders imponiert. Nun geht mit Peter Bornfelder einer der letzten echten Emscher-Husaren, so wurde einst ein kleiner mächtiger Kreis von Stadtkämmerern aus der Emscher-Region bezeichnet, in den wohl verdienten Ruhestand.“