Herne. . Kreishandwerksmeister Hans Hausherr spricht im „Interview am Samstag“ über die Vergabepraxis der Stadt, Fachkräfte und Nachwuchs.

„Handwerk, die Wirtschaftsmacht von nebenan“ lautet der Titel der Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann sprach mit Kreishandwerksmeister Hans Hausherr über die Lage in Herne.

Hat Handwerk noch einen goldenen Boden?

Hausherr: Der goldene Boden ist sicherlich weg, aber wir haben noch sehr gute Perspektiven. Unser Problem ist, dass dies in den meisten Familien nicht ankommt. Viele Schulabgänger streben ins Studium, aber wir brauchen eben auch die Facharbeiter.

Also haben wir auch in Herne Mangel an Facharbeitern?

Nein. Die Stadt hat das spezielle Problem, dass durch Entlassungen immer wieder Fachleute auf den Markt kommen. Ein Beispiel: Unser Unternehmen selbst hat einen Spitzendreher (Berufsbezeichnung, d. Red.) gesucht. Wir hatten 20 Bewerbungen und konnten uns den besten aussuchen.

Das klingt eher so, als ob der Nachwuchs nicht die notwendigen Qualifikationen erfüllt.

Doch, das mit dem Nachwuchs klappt ganz gut. Wissen Sie, ich bin 71 Jahre. Als ich jung war, hat man schon geklagt, dass die Jugend blöd sei. Man muss auch ein bisschen Geduld haben. Vielleicht mal über die ein oder andere Schwäche im Zeugnis hinwegsehen und aufs Interesse achten. Die zweite Reihe der Bewerber ist gar nicht so schlecht.

Wieso ist der Boden dann nicht mehr golden?

Weil uns unter anderem Firmen fehlen. Wir haben in Herne keinen Zimmerer mehr. Die Stadt müsste sich bemühen, dass das heimische Handwerk und der Mittelstand blühen, doch das ist nicht der Fall.

Wieso das?

Weil die lokalen Handwerksbetriebe kaum noch Aufträge von der Stadt erhalten. Da kommen fast nur noch Firmen aus anderen Städten zum Zuge.

Wittern Sie eine gezielte Benachteiligung oder was ist der Grund?

Da hat sich ein regelrechter Teufelskreis in Gang gesetzt. Zwar klagt Herr Tschöke (Gebäudemanagement), dass die Herner Firmen gar kein Angebot mehr abgeben, aber wenn jemand fünf Mal oder mehr vergeblich Zeit und Geld investiert hat, um ein Angebot abzugeben, lässt er es eben bleiben. Die Konsequenz ist dann, dass die Firmen immer weiter schrumpfen und am Ende bei bestimmten Auftragsgrößen nicht mehr mitbieten können.

Haben Sie einen Lösungsvorschlag?

Man kann doch bestimmte Aufträge auch aufteilen. Wieso muss nur eine Firma alle Fenster einer Schule erneuern? Da kann man doch sagen, einer macht die Nordseite, ein anderer die Westseite. Und so weiter.

Die Stadt ist ja gehalten, kostengünstig zu vergeben...

...aber das ist doch zu kurz gedacht. Auf der einen Seite spart sie ein paar Euro, auf der anderen gehen sie ihr wieder flöten, weil es keine Gewerbesteuer von den heimischen Firmen gibt. Da müssen wir mit der Stadt einen Dialog finden.

Kann denn die Kreishandwerkerschaft diesen Dialog auf Augenhöhe führen? Die ­Mi­t­g­li­ederzahlen sind schließlich nicht berauschend.

Das stimmt, von 1700 Betrieben sind nur rund 260 Mitglieder. Da muss sich etwas ändern, das Handwerk braucht eine starke Stimme in der Stadt, aber auch beim Land. Ich werde versuchen, neue Betriebe für die Innungen zu gewinnen. Doch das ist auch eine Baustelle, die mein Nachfolger weiter beackern muss. Meine Amtszeit endet definitiv am 30. März 2014. Ich will kein Greishandwerksmeister sein.