Herne. . In zweieinhalb Jahren zum Teil mühseliger Arbeit hat Ernst Wissel die „Orientalische Reyß“ von Hanß Jacob Breuning aus dem Frühneuhochdeutschen in das Hochdeutsche übersetzt. Das Buch entstammt einer Sammlung, die sich der Großvater des Herners um 1900 zugelegt hatte.

Wenn die Buchmesse in Leipzig im nächsten Monat vom 14. bis 17. ihre Pforten öffnet, ist auch der 80-jährige Ernst Wissel, ehemals Leiter des Hochbauamtes Herne, dabei: Nicht als Besucher, sondern als Herausgeber eines ungewöhnlichen Buches. Zweieinhalb Jahre lang hat der Pensionär mit Hilfe des Internets daran gearbeitet, die „Orientalische Reyß des Edlen unnd Besten Hanß Jacob Breuning“, erschienen anno 1612 in einem Straßburger Verlag, aus dem Frühneuhochdeutschen ins Hochdeutsche zu übersetzen. Und je mehr er sich in das in feines Leder gebundene Original vertiefte, von dem es nach seinen Recherchen weltweit nur fünf weitere Exemplare gibt, desto mehr nahm es ihn gefangen.

Von Venedig nach Ägypten

Getarnt als Pilger, denn nur sie konnten sich überhaupt halbwegs sicher auf den vorgeschriebenen Routen durch den Orient bewegen, und begleitet nur von einem verarmten französischen Adeligen, machte sich Hanß Jacob Breuning 1579 im Auftrag seines Dienstherren, Herzog Friedrich I. von Württemberg, auf den beschwerlichen und gefährlichen Weg von Venedig nach Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, weiter nach Palästina, Ägypten und Syrien - begleitet nur von einem verarmten französischen Adeligen. In einem Reisetagebuch hielt der 27-Jährige anschaulich alles fest, was ihm auf dieser abenteuerlichen Reise zur Zeit der „prächtigen Kalifen“ begegnete. Der Orient, seine Kultur und der Islam waren damals den Menschen des Okzidents fast völlig unbekannt. „Das große Verdienst Breunings ist es, dass er der erste Reisende war, der mit Nüchternheit und Objektivität das Gesehene und Erlebte dokumentierte, ohne zu verurteilen, ohne abfällig über den Islam herzuziehen“, sagt Wissel sichtlich beeindruckt.

Stadtplan von Jerusalem

Systematisch habe Breuning auch Themen wie die Stellung der Frau, die Praxis der Justiz, den arabischen Schiffsbau oder die Einkommensquellen der Sultane dargestellt. In das Buch, das dann Jahre später nach Vorlage seiner Reisetagbücher herausgegeben wurde, nahm er außerdem auch Zeichnungen von Tieren, Pflanzen und Menschen auf - und eine Karte der Stadt Jerusalem, angefertigt nach der ersten realen Darstellung der Stadt, die heute im Original verschollen ist.

Dieser historische Jerusalemer Stadtplan ist auch auf dem Cover von Ernst Wissels 500 Seiten starker Übersetzung des Breuningschen Originals zu sehen. Das Buch ist ab sofort unter dem Titel „Reise in den Orient“, edition-winterwork, zum Preis von 22,90 Euro z. B. bei Koethers & Röttsches erhältlich.

Die „Orientalische Reyß“ gehört zu einer Sammlung, die sich Ernst Wissels Großvater, der als Uhrmacher mit seiner Familie in Dessau lebte, in der Zeit um 1900 zulegte, weil er sich, so Wissel, für alte Dinge interessierte. Allein über 300 originale Lutherdrucke und viele antiquarische Bücher waren in der Sammlung enthalten. Ernst Wissel und seine beiden Geschwister stellten als Erben alles, was mit Luther und Anhalt zu tun hatte, der dortigen Landsbibliothek als Dauerleihgabe zur Verfügung, anderes behielten sie.

Zweimal wäre die Sammlung fast verloren gewesen: Im Zweiten Weltkrieg, als der Teil des Hauses in Dessau bei einem Luftangriff getroffen wurde, in dem die Raritäten untergebracht waren: „Es konnte zum Glück alles schnell geborgen werden“, so Wissel. Und das zweite Mal wäre alles fast weg gewesen, als zu DDR-Zeiten Schalck-Golodkowskis Kommerzielle Koordinierung „KoKo“ die Sammlung an sich bringen wollte. „Gemeinsam mit meiner Tante, die im Elternhaus wohnte, haben wir alles im Kohlenkeller vergraben - und nach der Wende wieder hervorgeholt.“