Herne/Wanne-Eickel. . Am Sonntag fand eine Gedenkstunde für die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel im VHS-Saal des Kulturzentrums statt. Historiker Ralf Piorr hielt einen eindrucksvollen Vortrag, in dem er Opfer und Täter beim Namen nannte.

Nachdenklich stimmende Musik, dargeboten vom Trio Cantabile, läutete am gestrigen Sonntag die Gedenkstunde für die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel im VHS-Saal des Kulturzentrums ein. Im Anschluss traf man sich zum Gebet und zur Schweigeminute am Denkmal vor dem Kulturzentrum.

Der kleine Saal war beinahe bis auf den letzten Platz belegt. Anlässlich des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 waren Vertreter jüdischer und christlicher Gemeinden und viele Gäste anwesend. „Der Gedenktag 27. Januar soll uns an das Leiden und den millionenfachen Tod unserer jüdischen Mitbürger erinnern“, sagte OB Horst Schiereck in seiner Eröffnungsrede. „Wir erinnern uns und mahnen.“

Verstörender Vortrag

Mit Unterstützung der Historiker Katrin Kemper und Rolf Fischer leistete Historiker Ralf Piorr den Redebeitrag der Gedenkstunde. Aber gibt es denn überhaupt noch neues zu berichten? Das fragte Piorr die Anwesenden. „Ja“, gab er selbst die Antwort. Spätestens seit Erscheinen des Werks „Das Dritte Reich und die Juden“ von Saul Friedländer, das als „Geschichte ohne Sicherheitsabstand“ ausgezeichnet wurde, sei das klar. Und das sei auch sein Anliegen: „Namen nennen und verstören.“ Das gelingt dem Historiker, indem er die Geschichte der Deportationen aus Herne und Wanne-Eickel 1942/43 mit Briefen, Fotografien und Tagebucheinträgen von Tätern und Opfern aus dieser Zeit illustriert.

Deportationen 1942/43

Die Rahmenhandlung des Vortrags folgte Sally (Salomon) Neugarten, damals Ansprechpartner der Juden in Herne, bis zu seiner Deportation und einem Brief seiner Frau aus dem Konzentrationslager Auschwitz in dem es heißt: „Geh nie diesen Weg, es ist schrecklicher als in den schlimmsten Träumen“.

Die Verleugnung muss aufhören, so Piorr. Die Juden seien nicht bei Nacht und Nebel deportiert worden. Ein „Judenhaus“ stand direkt in der Innenstadt an der damaligen Bahnhofsstraße 57, heute Robert-Brauner-Platz. Eine Fotografie zeigt eine Gruppe von Juden, darunter 37 aus Herne und Wanne-Eickel, auf dem Eintracht-Sportplatz in Dortmund vor der Deportation ins offene Ghetto Zamosz in Polen. Keiner der 791 Menschen überlebte. Katrin Kemper liest Briefe von einem Mädchen aus dem Ghetto an ihre Angehörigen vor, in denen sie zwischen den Zeilen warnt. Auch einige Täter nennt Piorr beim Namen, aber: „Keiner der Mitarbeiter aus den Gestapo-Stellen in Dortmund und Bochum oder der Polizei in Herne wurde jemals wegen der Deportationen angeklagt oder verurteilt.“

Aaron Naor, Vorbeter der jüdischen Gemeinde Bochum – Herne Hattingen, Superintendent Reiner Rimkus (Ev. Kirchenkreis Herne) und Dechant Christian Gröne vom Dekanat Emschertal beteten am Mahnmal.

Das Trio Cantabile sind Martin Rübenstahl-Schmidt, Elmar Dissinger und Christian Ribbe.

Ralf Piorr hat ein Buch über die Deportation der Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg nach Zamosz im April 1942 herausgegeben. „Ohne Rückkehr“ ist im Klartext-Verlag erschienen.