Herne. . Der Integrationsrat in Herne lud zu einer Diskussion über Beschneidung in die Volkshochschule ein. Ein Thema aus jüdischer, muslimischer, juristischer und medizinischer Sicht .

Seit Jahr und Tag wurden in Deutschland jüdische und muslimische Jungen beschnitten, ohne dass die öffentliche Diskussion dies zum Thema gemacht hätte. Doch als das Kölner Landgericht diese Praxis in Frage stellte, brandete plötzlich eine hitzige Debatte auf. Grund genug für den Integrationsrat, sich der Problematik, wenn auch mit leichter Verspätung, anzunehmen.

Eine sachkundige Runde hatte Nurten Özcelik als stellvertretende Integrationsratsvorsitzende im Saal der Volkshochschule um sich geschart. Der Wanne-Eickeler Rechtsanwalt Thomas Reuter brachte die etwa 70 Anwesenden zunächst juristisch (und trotzdem allgemein verständlich) auf den Stand. Klar wurde, dass im Falle des vierjährigen Kindes, um das es im Landgerichtsurteil ging, die Religionsfreiheit, das Elternrecht und das Recht des Kindes auf körperliche Integrität gegeneinander abzuwägen waren, wobei die Richter Letzteres am höchsten bewerteten.

Auf die religiöse Bedeutung des Aktes beruft sich die islamische Gemeinschaft. Als Vertreter des Muslimischen Theologinnen- und Theologenbundes erklärte Hüseyin Inam, dass die Beschneidung im Zusammenhang mit dem Reinheitsgebot stehe - wie die Rasur von Achseln oder Scham. Ob sie nun als Pflicht oder Tradition zu sehen sei, darüber seien sich die verschiedenen islamischen Schulen uneins. Fest steht für Inam: „Wenn man die Beschneidung verbietet, wird sie zur Identitätsfrage.“ Das sei mit dem Kopftuch ebenso geschehen. Die Reaktion: „Man kämpft, um die Identität zu bewahren.“

Parallelen zwischen den Kulturen

Die Parallelen zur jüdischen Kultur offenbarten sich in den Ausführungen von Dr. Michael Rosenkranz aus der Jüdischen Gemeinde Herne-Bochum-Hattingen. Auch im Judentum ist das Reinheitsgebot bekannt. Auch dort gilt Abraham, der sich mit 90 Jahren beschneiden ließ, als Vorbild. Was den Zeitpunkt angeht, wird die jüdische Lehre konkreter. Rosenkranz: „Sie geschieht am achten Tag, nie früher, aber falls es Gründe gibt, später.“ Die Vorhaut gelte als „Organ der Blockade“.

Mit seinem ethnologischen und psychoanalytischen Wissen und seiner praktischen Erfahrung hätte der Kinderchirurg Michael Hemminghaus aus der Börniger Kinderklinik das Spektrum gut ergänzen können. Stattdessen lieferte der Mediziner - ungebremst - einen fast einstündigen Vortrag, in dem auch weibliche Beschneidung (im Gesetzesentwurf war diese nie Thema) und Übergangsriten ausgiebig zur Sprache kamen. Eine sicherlich lohnende Diskussion unter den Podiumsteilnehmern und mit dem Publikum wurde angesichts der fortgeschrittenen Stunde dadurch unmöglich gemacht.