Herne. . Zum 100-Jährigen des SV Sodingen erscheint nun das Buch „Der Komet des Westens“. Die Macher Ralf Piorr und Kerstin Rau präsentierten es am Mittwoch in Herne
Arbeiter-Sportvereine gab es vielerorts. Aber keine andere Region wird so mit Fußball und Maloche verbunden wie der alte Kohlenpott. In der Woche gemeinsam unter Tage vor Kohle und am Wochenende Kumpels aufm Platz – so entstanden Mythen wie Schalke 04. Aber dem SV Sodingen 1912, den ebenfalls dieser Hauch von Kohlenstaub und ehrlichem Schweiß umweht, blieb es vorbehalten nun – anlässlich seines 100-jährigen Bestehens – ein Buch vorzulegen, das die breite Masse der Fußballbände übertrifft. Und das verdankt es seinem konzeptionellen Ansatz: Es liefert nicht nur eine Chronik des Vereins, sondern stellt sie in einen lokalhistorisch-soziologischen Kontext.
Die große Stärke: neue Aspekte
Das ist vor allem der Verdienst des Herner Historikers Ralf Piorr. Er gab die Richtung vor, damit wird klar, wie sich sowohl der SV als auch der Stadtteil Sodingen im Sog der Zeche Mont-Cenis peu a peu aus regionaler Bedeutungslosigkeit mauserten und in den 1950er-Jahren zum „Komet des Westens“ aufstieg, um anschließend wieder auf dem Boden zu landen. Das ist die große Stärke dieses Buches, das ist neben anderem auch ein Argument, es sich zuzulegen, obwohl man bereits das zum 75-Jährigen im Regal hat.
Das neue Werk heißt „Der Komet des Westens“, viele Co-Autoren konnte Piorr für sein Projekt gewinnen. Neues, bislang unveröffentlichte Bildmaterial und Interviews mit den Sodinger Helden der 50er-Jahre stecken drin – das ganze gleichermaßen liebevoll wie professionell gestaltet von Kerstin Rau.
Zur offiziellen Vorstellung des Buches am Mittwoch im Vereinsheim des SV Sodingen hatten deren Macher und der Vereinsvorsitzende Veselko Jovanovic auch zwei Kometen-Urgesteine eingeladen. Nach dem Tod von Hännes Adamik und Leo Konopczynski zählt Torwart Alfred Schmidt zu den letzten lebenden Legenden der Sodinger. „Unser Spitzname in der Oberliga war: Die Männer vom Zechenberg“, erinnert sich Schmidt, der selbst einen Spitznamen hatte: Gummimann nannte man ihn wegen seiner enormen Beweglichkeit und sensationellen Reflexe.
Für den sympathischen Sportsmann, dem eine Teilnahme an WM ‘54 versagt blieb, weil er in einem Testspiel der Herberger-Elf einen Jochbeinbruch erlitt, gab es gestern ein Wiedersehen mit seinem alten Mannschaftskameraden Harry Linka. Der hat sich im Laufe der Jahre vom pfeilschnellen Stürmer zu einem beflissenen Erzähler entwickelt. Linka kam damals von der Spielvereinigung Erkenschwick, trainiert von keinem geringeren als Ernst Kuzorra, zum SV Sodingen. „Der Kuzorra hatte mir versprochen, ich bekäme für jedes Tor, das ich schieße, ein Schwein“, berichtet Linka. Wie viele Tore er denn in jener Saison geschossen hätte? Linka: „43“. Wo er die ganzen Schweine gelassen hätte? „Oh, ich hatte eine große Verwandtschaft, und den Rest habe ich gegen ein Auto getauscht“, sagt Linka und schmunzelt. Ob’s stimmt? Eine schöne Geschichte ist es allemal, so wie all’ die anderen, die „Der Komet des Westens“ neben den Pflichten des Chronisten für den Leser bereit hält.