Wanne-Eickel. . Hunderte Schüler, Studenten und Arbeitslose bewerben sich um Jobs auf Crange. Sie hoffen auf das schnelle Geld – denn auch Ungelernte können dort gut verdienen.
Tolga Topuz ist enttäuscht. Der Weg zum gut bezahlten Kirmesjob, das hat er soeben gemerkt, ist steiniger als gehofft. Zwei Schausteller hat die Arbeitsagentur ihm genannt, aber nach dem ersten Vorsprechen ist er genauso schlau wie vorher: „Am Süßwarenstand hieß es, dass sie keinen Bedarf mehr haben. Und bei einer Backfischbude kann ich mich erst morgen vorstellen“, sagt Topuz, ein sportlicher Junge mit blauem T-Shirt und schwarzem Linksscheitel. An ihm vorbei strömen währenddessen immer mehr Menschen ins Cranger Kunsthaus, um im Vermittlungsbüro nach Jobs zu fragen.
Der 18-Jährige aus Holsterhausen ist einer von Hunderten von Bewerbern, die sich seit Donnerstag nach Verdienstmöglichkeiten erkundigen. Der Arbeitsplatz Kirmes ist begehrt: Auch Ungelernte verdienen dort im Schnitt acht Euro die Stunde. 500 Schausteller bauen in diesen Tagen ihre Stände auf, viele suchen Leute, die mit anpacken. Crange als Konto-Füller.
Die Bewerber
Es sind keine Fachkräfte, die auf dem Rummel arbeiten möchten, sondern Menschen, die auf das schnelle Geld hoffen. Vor dem Vermittlungsbüro stehen vor allem Schüler, Studenten und Arbeitslose Schlange. „Ich habe gehört, dass man in den zehn Tagen 1000 Euro verdienen kann“, sagt Topuz, der für einen Motorradführerschein spart. Manche haben ein bisschen Vorerfahrung, wie Eva Hölz (28) aus Bochum-Wiemelhausen, die schon mal auf einem Festival gejobbt hat und die Lage deshalb so einschätzt: „Die Kirmes ist natürlich stressig, aber die Arbeit wird sich auszahlen.“ Dass das Geld nicht das Prädikat „leicht verdient“ trägt, scheint den meisten klar zu sein. Kevin Vietzke (18) aus Herne-Mitte etwa ist es „völlig egal“, wo er eingesetzt wird, Hauptsache die Bezahlung stimme – „und wer weiß, vielleicht macht das Arbeiten ja sogar Spaß“.
Die Arbeitsagentur
Dominique Link (26) arbeitet dieser Tage im Akkord. Allein Donnerstag führte sie um die 100 Einzelgespräche mit Bewerbern. Jobsuchende und Schausteller soll sie zusammenbringen, dafür hat sie ihr Büro ins Kunsthaus Crange an der Dorstener Straße verlegt. Die Rechnung kann zwar eigentlich gar nicht aufgehen: Die 100 Bewerber allein des ersten Tages stehen 79 gemeldeten offenen Stellen gegenüber. Trotzdem ist Link zuversichtlich, die meisten Aspiranten unterzukriegen. „Es kommen immer wieder Jobs hinzu. Letztes Jahr gab es sogar ein paar Stellen, die wir nicht besetzen konnten.“ Zumal es auch auf Crange nicht nur Traumjobs gibt, sondern auch andere – in einer Bierbude mitten im Getümmel möchten viele arbeiten, Backfischstände etwa oder Kneipen in der Kirmes-Peripherie irgendwo in Wanne-Nord sind hingegen nicht ganz so begehrt. „Wenn man in den Service möchte und Erfahrung hat, kriegt man auch was“, so Link. Nur Minderjährige vermittelt die Arbeitsagentur aus Jugendschutzgründen nicht. Wer noch nicht 18 ist, sollte die Schausteller direkt ansprechen.
Die Schausteller
Wer sein Geld mit Dienstleistungen verdient, legt Wert auf Flexibilität und Freundlichkeit. Viele Schausteller verlassen sich deshalb auf ihr Bauchgefühl, wenn sie entscheiden, ob ein Kandidat geeignet ist oder nicht. „Da ist Menschenkenntnis gefragt“, sagt Timo Lichte. Für die Unternehmer ist es durchaus ein Risiko, jemanden einzustellen, den sie kaum kennen. „Die Kirmes ist ein Knochenjob“, sagt Lichte, das halte nicht jeder durch. Auch sein Schausteller-Kollege Bernd Steinmeister registriert „innerhalb von Sekunden“, ob einer es kann oder nicht. In seinem Stand beschäftigt er über 130 Aushilfen. Auf die Bewerber, die ihm die Arbeitsagentur schickt, greift er jedoch nicht zurück. „Wir suchen über unsere Homepage, da melden sich schon genug.“ Jedes Jahr muss er neue Kräfte einarbeiten, die Fluktuation betrage 30 Prozent. Zum Beispiel, weil eine Aushilfe ihr Studium beendet hat.
Tolga Topuz, der Holsterhausener mit dem Faible für schnelle Zweiräder, lässt sich nicht entmutigen. Am nächsten Tag wolle er sich bei der Backfischbude vorstellen, die Dominique Link von der Arbeitsagentur ihm empfohlen hat. „Ist mir im Prinzip schnuppe, was ich mache“, sagt Topuz, wirft sich seinen Rucksack über die Schulter macht sich auf den Heimweg.