Herne. . Bei der Fußball-Europameisterschaft schwiegen viele Nationalspieler bei der Nationalhymne – zu recht? Eine Umfrage auf der Herner Bahnhofstraße.
Die Fußball-Europameisterschaft ist Geschichte. Spanien hat mal wieder gewonnen, die Iren stellten die euphorischsten Fans – und die italienische Mannschaft sang vor Anpfiff so inbrünstig die eigene Nationalhymne, dass man kein perfektes Gehör brauchte, um jeden falschen Ton von Keeper Gianluigi Buffon zu erraten. Die deutsche Mannschaft verabschiedete sich im Halbfinale aus dem Turnier, still und heimlich gegen stimmgewaltige Italiener; zur Hymne blieb ein Großteil des Spielerkaders stumm. Hätten die deutschen Kicker besser alle mitsingen sollen? Die WAZ hat in Herne-Mitte nachgefragt.
„Mit ist das egal“, sagt Rolf Schulze. Der 69-Jährige schließt da von sich auf andere. „Ich singe auch nicht gerne“, sagt er, da könne er schon verstehen, wenn die Spieler stumm blieben. Zumal: „Mancher ist halt lieber in sich gekehrt.“ Dass, wer nicht will, eben schweigt, für Schulze geht das in Ordnung. „Ich stehe vor dem Fernseher auch nicht auf“, zeigt er sich solidarisch. Eine Mitsing-Pflicht: „Das ist Blödsinn.“
Über eben jene nämlich würde sich der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl wohl freuen. Beschämend sei es, lässt sich der Unions-Politiker zitieren, dass manche Spieler die Hymne nicht mitsängen. Und auch Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister und ebenfalls CSU-Mitglied, ist großer Fan vom Männerchor. Zum Länderspiel gehöre die Nationalhymne, stellt Hermann fest, und wer dazu keine Lust hätte, solle doch in seinem Verein bleiben. Ob er dann lieber selbst auflaufe, das sagt Hermann nicht.
„Ich fand das auch irgendwie blöd“, sagt Horst Böwe auf der Herner Bahnhofstraße, „auch den Zuschauern gegenüber.“ Die Deutschen sangen nicht, die Italiener schon. Ist dass das Erfolgsrezept? „Daran lag es nicht“, mutmaßt Böwe, „ein bisschen Glück hat gefehlt, und dann haben die anderen sie an die Wand gespielt.“ Vor dem Fernseher mitsingen würde der 76-Jährige nicht, „im Gesang hatte ich immer eine Fünf“. Aber: „Würden die singen, dann würde ich begeistert zuhören.“
„Im Stadion würde ich mitsingen“, sagt Nicole Schrader, zu Hause aber: „Nein.“ Es wäre doch schön gewesen, sagt die 31-Jährige, hätten sich die Spieler durchringen können. „Das zeigt doch auch, dass man stolz ist, für das Land zu spielen.“ Die Mannschaft in die Pflicht zu nehmen, davon aber hält auch Schrader nichts. „Vielleicht sollte man stattdessen lieber mal fragen, warum sie nicht singen und erklären, warum sie es sollten.“
Eine mögliche Erklärung liefert Sascha Matz, nur ein paar Schritte weiter: „Die haben eben alle ihre eigene Identität“, sagt Matz, „und gerade das finde ich auch sehr gut an der deutschen Mannschaft.“ Er denke da etwa an Mesut Özil, und wenn der nicht singen wolle, dann lasse er es eben bleiben. Mitsingen oder lieber im Verein bleiben? „Das ist einfach nur dämlich“, sagt der 21-Jährige. „Wer so was fordert, den sollte man mal ins Tor stellen und ein paar Elfmeterschützen abziehen lassen.“