Herne. . Zehn Zeitzeugen besuchten jetzt die neunte Stufe des Haranni-Gymnasium. Sie berichteten den Schülern über ihre Erfahrungen in der NS-Diktatur.

Ob er denn auch mal in den Bunker musste, als eine Bombe gefallen sei, lautet die erste verhaltene Frage einer Schülerin an den Referenten. „Einmal?“, fragt Rolf Hinz zurück. „Ich habe wochenlang im Keller ausgeharrt, als die Bomben fielen.“ Nach und nach bekommen die Jugendlichen am Haranni-Gymnasium einen Eindruck vom Ausmaß des Nationalsozialismus in Deutschland.

Genau diesen Lerneffekt wünscht sich Kathryn Pszolka. Die 33-jährige ist Referendarin und organisiert in Zusammenarbeit mit der Klasse 9b schon das zweite Aufeinandertreffen von Schülern und Zeitzeugen der NS-Zeit. In der Aula der Schule treffen dabei 100 Neuntklässler in kleinen Stuhlkreisen auf zehn Zeitzeugen. Aus erster Hand erfahren die Pennäler wie das Leben unter dem Naziregime war. „Die verschiedenen Zeitzeugen veranschaulichen sehr schön die Multiperspektivität von Geschichte“, freut sich Pszolka.

Was sie mit diesem klausurreifen Ausdruck meint, wird den jungen Gymnasiasten klar, als sie nach etwa 20 Minuten zum nächsten Zeitzeugen weiterziehen. Berichtete Rolf Hinz noch recht amüsante Anekdoten, vom „Schieben“, dem regen Schwarzmarkthandel in der Nachkriegszeit, so werden die Jugendlichen jetzt, im Stuhlkreis von Gerda Stullich, mit dem Holocaust konfrontiert. Die Schüler beugen sich vor um die 89-jährige besser zu verstehen und lauschen ihr angestrengt. Stullichs Vater war im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Sie reicht Fotos von der Befreiung des KZs herum. Die Bilder sind nichts für schwache Nerven. Sie zeigen die ganze menschenverachtende Brutalität der Nazischergen. Schülerin Melanie Solle (14) empfand so manche Eindrücke als „echt heftig“ und war von den verschiedenen Schicksalen berührt.

„Durch die zehn Zeitzeugen ist ein breites Spektrum an Erfahrungen abgedeckt,“ sagt der Initiator der Zusammenkünfte, Horst Spiekermann. Nach Vorbild eines französischen Kriegsveteranen schart der geschichtsbegeisterte Herner die Zeitzeugen um sich und geht mit ihnen an die Schulen. Für die Neuntklässler des Haranni-Gymnasiums waren diese Begegnungen der Start in die Unterrichtsreihe Nationalsozialismus in Deutschland. Kathryn Pszolka ist begeistert von den Begegnungen ihrer Schüler mit den Zeitzeugen, denn: „Das was diese Menschen berichten, steht in keinem Geschichtsbuch.“