Herne. . Eine hochkarätig besetzte Expertenrunde diskutierte in der Akademie Mont Cenis über die geringe Zahl von Migranten im öffentlichen Dienst.

„Vom Gastarbeiter zum Unternehmer“, steht auf den großen Pappwänden, die im Foyer der Akademie Mont-Cenis aufgestellt sind. Der Text zwischen den Bildern von Brautmodegeschäften und Tankstellen erzählt die Geschichte meist türkischer Zuwanderer, die sich hier in Deutschland eine neue Existenz geschaffen haben.

Trotzdem stellt der Titel der Veranstaltung am Donnerstagabend die Frage: „Haben Ayse und Burim überhaupt eine Chance?“

Die Vielfalt in der Gesellschaft müsse sich auch in den Behörden widerspiegeln, fordert Ferdos Forudastan, die Moderatorin, in ihrem Eröffnungsvortrag. Wie gelingt es also, mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund für eine Stelle in der Stadtverwaltung oder bei der Polizei zu interessieren?

71 Gäste aus den Bezirksregierungen und aus den Ministerien wollen dieser Frage mittels einer Diskussionsrunde auf den Grund gehen. Heinz Buschkowsky ist Bezirksbürgermeister von Neukölln und bekannt durch seine Integrationspolitik in diesem Stadtteil mit hohem Migrationsanteil. „Natürlich haben Ayse und Burim eine Chance“, sagt der Berliner, „die Frage ist nur, ob sie die auch ergreifen.“ Oft hätten die Jugendlichen mit Migrationshintergrund kein Interesse daran, eine Stelle in der Verwaltung zu besetzen. „Wir setzen uns jedes Jahr das Ziel, mindestens 50 Prozent der Stellen mit Auszubildenden NDH (Nicht deutscher Herkunft) zu besetzen. Das gelingt fast nie. Wir erreichen höchstens 35 bis 40 Prozent.“

Ulrich Ernst ist Beigeordneter der Stadt Mülheim und Sprecher der „Städtekooperation Integration.Interkommunal“, der sich 2012 auch Herne anschloss. Für die Gewinnung junger Talente hat man eine Handlungsempfehlung zusammen mit jugendlichen Migranten erarbeitet. Denn diese Gruppe wird deutlich zunehmen: „In Mülheim haben 10 Prozent der Gesamtbevölkerung Migrationsanteil. Bei der Gruppe der unter Dreijährigen liegt dieser Anteil allerdings bei fast 50 Prozent“, erklärt der Beigeordnete.

Es gebe ja bereits anonymisierte Bewerbungen oder Bewerbungs-Broschüren, nach denen Bewerber mit Migrationshintergrund ausdrücklich erwünscht seien, so Guntram Schneider, Minister für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW.

Nach Autorin Hatice Akyün, die 2011 den Berliner Integrationspreis erhielt, vielleicht der falsche Ansatz: „Wenn ich die ganze Zeit ,Migranten’ höre, zucke ich zusammen. Ich bin in Deutschland nicht als Migrantenkind aufgewachsen, sondern als Bergmannkind. Ich war auch beim Amtsgericht Duisburg Hamborn eine ganz normale Auszubildende, obwohl ich die erste Türkin war.“ Laut Akyün brauche man keine Sonderbehandlung oder bemühte Political Correctness. Christian Salomon, Leiter der Abteilung Schule der Bezirksregierung Arnsberg meldet sich mit einem positiven Beispiel zu Wort: „Seit fünf Jahren begrüße ich jährlich die neuen Lehrer im Regierungsbezirk. Am Anfang hatten davon ein oder zwei einen Migrationshintergrund. Mittlerweile sind es fast 10 Prozent. Ich habe mich mit einigen der jungen Lehrer unterhalten und sie alle waren sich ihrer Vorbildfunktion bewusst, die sie einnehmen.“