Eltern eines autistischen Jungen sind verzweifelt. Nach der vierten Klasse sollte er zur Gesamtschule wechseln.

Holger und Susanne Meininger verstehen die Welt nicht mehr. Ihr zehnjähriger Sohn leidet an einem Form des Autismus, dem Asperger Syndrom, und er konnte bisher mit einem so genannten „Integrationshelfer“ an seiner Seite die Max-Wiethoff-Grundschule in Sodingen besuchen. Nach den Sommerferien sollte der Viertklässler auf die Erich-Fried-Gesamtschule wechseln: Die Schule hat ihm eine Empfehlung für das Gymnasium ausgestellt. Nun hat das Jugendamt der Familie ohne Vorwarnung zum 1. März den Integrationshelfer gestrichen, der das Kind 18 Stunden in der Woche begleitete. Doch ohne ihn kann das Kind die Schule nicht besuchen – es bleibt seit Dienstag zu Hause.

„Es gibt unterschiedliche Haltungen über eine wirksame Förderung des Kindes“, sagt dazu Stadtsprecher Horst Martens. Im Zuge der angestrebten Inklusion lege die Stadt verstärkt Wert darauf, dass Schüler mit Behinderungen Regelschulen besuchten. Wenn ein Integrationshelfer eingesetzt werde, dann aber mit dem Ziel „die Selbstständigkeit des Kindes zu erreichen und nicht das Kind durch das gesamte Schulleben zu begleiten.“ Im vorliegenden Fall seien daraus vier Jahre geworden, ohne dass Fortschritte bei einer „nachhaltigen Integration“ erzielt worden seien. Der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie schlage deshalb TE.TR.AS vor, Teach-Triangel-Asperger-Mobil, ein Angebot des Evangelischen Kinderheims, das eine Einzelförderung mit Beratung von Familie und Lehrern sowie Gruppenangeboten verbindet.

Dazu sagt Susanne Meininger: „Am Donnerstag letzter Woche ist uns gesagt worden, wir sollten eine Autismus-Therapie machen. Diese findet aber nur vormittags statt.“ Gegen eine ergänzende Therapie habe die Familie nichts einzuwenden, aber nicht anstelle der Schule. „Es gab auch keine Aufforderung dazu vom Jugendamt“, so der Vater.

Für die Max-Wiethoff-Schule, Schwerpunktschule für den Gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung, kam die Entscheidung des Jugendamtes überraschend. „Das war mit uns nicht abgesprochen“, wundert sich die Schulleiterin Hildegard Überfeld. Dass ein Inte-grationshelfer für nicht mehr notwendig erklärt werde, komme zwar vor, aber nicht ohne Rücksprache mit der Schule. Eine augenfällige Verbesserung sei bei Asperger-Autisten nicht im Kindesalter zu erwarten. Eine Förderschule für diese Erkrankung gebe es nicht. Für den Sohn der Meiningers sei sogar ein Integrationshelfer bis in die erste Zeit nach dem Schulübergang in Aussicht gestellt worden.

Ein schriftlicher Bescheid lag übrigens der Schule bis gestern Vormittag ebenso wenig vor wie den Eltern. Lieber heute als morgen möchten diese wieder einen Integrationshelfer für ihren Sohn engagieren. Er brauche wie andere Kinder mit Asperger Syndrom einen Dolmetscher, der ihm Erfordernisse des Schulalltags übersetze. Von den Lehrern ist das nicht zu leisten. Zum Krankheitsbild gehören soziale und kommunikative Defizite, z.B. werden nichtsprachliche Signale wie Ironie oder Witz nicht intuitiv erkannt. Die Betroffenen können sich außerdem schwer auf neue Situationen und Personen einstellen. Die kognitiven Fähigkeiten sind in den meisten Fällen nicht beeinträchtigt. Im englischen Sprachraum bezeichnen Menschen mit Asperger ihr Anderssein auch als „Wrong Planet Syndrom“ - das Gefühl, auf einem falschen Planeten zu leben.

Die Meiningers, beide berufstätig, betreuen ihren Sohn nun wechselweise zu Hause oder nehmen ihn mit zur Arbeit. Der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie hat Gespräche mit Schule und Eltern angekündigt.