Herne. . Wanner Gesamtschüler mit und ohne Migrationshintergrund diskutierten mit Vertretern des Integrationsrats. Dieser soll das Sprachrohr der Migranten sein und zum Dialog zwischen den Kulturen aufrufen.
Wenn alle wären wie Lale, es müsste keine Gespräche mehr geben über Toleranz und Vorurteile. Strahlend und selbstbewusst widerlegte die Oberstufenschülerin der Gesamtschule Wanne in der Diskussion mit Mitgliedern des Integrationsrates das Vorurteil vom armen benachteiligten Migrantenmädchen. Gibt es dieses deshalb nicht mehr? Mit einfachen Zuordnungen, scheint es, ist der Wirklichkeit nicht mehr beizukommen.
Dass an der Gesamtschule jeder zweite Schüler den berühmten „Migrationshintergrund“ aufweist, war zwar nicht Anlass des Besuches von Muzaffer Oruc, Nurten Özcelik, Walter Hanstein und Karim Sebbahi-Marciniak, die nach und nach die Herner Schulen aufsuchen, es erleichterte aber das Gespräch. Auch die zur Diskussion abgesandten Mitglieder der Schülervertretung (SV) stammten zur Hälfte aus Migrantenfamilien, während im Lehrerkollegium immerhin sieben zugewanderte Kollegen sitzen.
Sprachrohr der Migranten
Zurück zu Lale. Umrahmt von zwei deutschen Freundinnen sprach sie von ihren Freundschaften mit deutschen wie türkischen Jugendlichen, vom Wunsch der Mutter, die Töchter stark zu machen, und ihrem eigenen Bemühen, grundsätzlich deutsch zu reden, sobald jemand sich von türkischen Gesprächen ausgeschlossen fühlen könnte. Musik in den Ohren von Nurten Özcelik, der stellvertretenden Vorsitzenden des Integrationsrates, die selbst als Tochter einer traditionellen türkischen Familie ihren Weg gegangen ist und nun in der Politik um Verständigung wirbt. Den Integrationsrat möchte sie als „Sprachrohr“ der Migranten verstanden wissen. Ob die Schüler mit diesem Gremium (schon) etwas anfangen können, ist die Frage.
Ihre Themen sind andere: Werde ich von meinem Lehrer benachteiligt, weil ich Türke bin? Müssen alle Muslime für die Terroranschläge einiger weniger den Kopf hinhalten? „Die Menschen sind gleich“: Das beschworen besonders die Schüler der Stufen 8 und 9, denen die erste Diskussionsstunde reserviert war. Das freundschaftliche Miteinander, so stellte sich heraus, ist aber in der Schule selbstverständlicher als außerhalb. Vielleicht auch, weil man sich zu selten im selben Wohnumfeld begegnet, wie Muzaffer Oruc mutmaßte. „Waren Sie rassistisch?“, fragte ein russischstämmiger Schüler Walter Hanstein und meinte die nationalsozialistische Zeit. Das konnte der 1940 geborene Sozialdemokrat auch für seine Familie verneinen. Wenig zu Wort meldete sich unterdessen Karim Sebbahi-Marciniak, der konvertierte Muslim aus der marokkanischen Gemeinde, von den vier Podiumsteilnehmern wohl der traditionellste.
Schule ohne Rassismus
Wie schön es sei, eine andere Kultur zu entdecken, betonten einige der älteren Schüler - und wie frustrierend, als „Schwarzkopf“ von Diskotheken abgewiesen zu werden. Dass im Schulalltag trotz des guten Willens an der „Schule ohne Rassismus“ nicht alles rundläuft, belegte die Diskussion um eine geteilte Kursfahrt in der Jahrgangsstufe 12. Die Schüler hatten sich aus freien Stücken zwei Gruppen zugeordnet: hier die Deutschen, dort die Ausländer. „Was soll ich bei den Kartoffeln?“, habe sie ein türkischer Mitschüler gefragt, erzählt eine Schülerin. „Ich war ziemlich geschockt.“ Im Kollegium sei das „erst aufgefallen, als alles erledigt war“, bedauerte die Lehrerin Hatice Aksoy. „Das wird sich nicht wiederholen.