Herne. . Eine Film-Dokumentation über die Versklavung von Kindern bei der Kakaoernte rüttelte den Herner Gerd Müller auf. Der 66-Jährige will nun mobil machen gegen die großen Schokoladenimporteure.

Im Mediengottesdienst der Marler Dreifaltigkeitskirche erlitt der Herner Gerd Müller kürzlich den Schokoladen-Schock: Die Vorführung der Dokumentation „Schmutzige Schokolade“ löste beim 66-Jährigen zunächst Entsetzen und dann Entschlossenheit aus. Müller will künftig nicht nur komplett von den Marken der großen Firmen lassen, sondern auch andere Konsumenten für menschenverachtende Methoden bei der Kakao-Ernte in Afrika sensibilisieren.

„Dieser Film hat mich tief bewegt“, sagt der Rentner aus Börnig. Beim Titel „Schmutzige Schokolade“ habe er zunächst an Panscherei bei der Herstellung gedacht. Doch es geht darin um viel schlimmere Missstände: In seiner 45-minütigen Doku schildert der dänische Regisseur Miki Mistrati, der zur Marler Vorführung eigens aus Kopenhagen angereist war, die furchtbaren Bedingungen, unter denen vor allem in der Elfenbeinküste Kakao geerntet wird.

Nicht nur der Regisseur komme zu dem Ergebnis, so Müller, dass hier Verbrechen im großen Stil stattfinden: „Nach Schätzungen von Unicef arbeiten etwa 200 000 Kindersklaven auf Plantagen.“ Diese systematische Ausbeutung von sieben- bis 14-jährigen Kindern habe sich auch bei Mistratis zum Teil mit versteckter Kamera gedrehten Aufnahmen bestätigt. Und das, obwohl sich die größten Kakaoimporteure im Jahr 2001 selbst verpflichtet hätten, innerhalb von sieben Jahren Kinderarbeit in den Ernteländern abzuschaffen.

Einige Aspekte in der Dokumentation hätten ihn besonders erschreckt, sagt Müller. Zum Beispiel: „Die Dreistigkeit, mit der die Verantwortlichen auf den Plantagen leugnen, dass Kinder eingesetzt werden.“ Geärgert habe ihn die Ignoranz von Nestlé. Weil der Schweizer Konzern auf die Anfragen Mistratis nicht reagiert habe, habe der Däne vor dem Konzernsitz eine Leinwand aufgebaut und dort seinen Film präsentiert.

Tief beeindruckt seien er und die anderen 200 Besucher in Marl von der Dokumentation gewesen, blickt Gerd Müller zurück. Und auch daran kann er sich gut erinnern: „Da saß ich nun in diesem Gottesdienst und dachte mir: Jetzt bist du betroffen – und was nun?“

Der frühere Vermessungstechniker, Reproduktions-Fotograf und Sozialarbeiter fand aber nicht nur als Konsument eine Antwort (siehe unten), sondern auch als politisch denkender und vor allem handelnder Mensch: Er schrieb sieben der größten Schokoladenhersteller an und konfrontierte sie mit den Vorwürfen. Zwei Unternehmen haben bereits geantwortet und versucht, für ihre „sauberen“ Produkte zu werben: „Überzeugt hat mich das aber nicht“, sagt Müller.

Und so ist es nur folgerichtig, dass der ehrenamtlich unter anderem in der Flüchtlingsarbeit engagierte Herner rund 50 Freunde und Bekannte in einer E-Mail dazu aufgefordert hat, ebenfalls auf die Konzerne zuzugehen und diese auf das Thema Kinderarbeit zu stoßen. Sein Appell: „Lasst die Schokoladenproduzenten wissen, dass wir von der versklavten Kinderarbeit wissen!“