Herne. . Wegen der hohen Spritpreise hat sich auch in Herne ein Tankstellen-Tourismus entwickelt. Roller und Rad werden zu Alternativen.
Dörte Speil hat es eilig und deshalb keine Wahl. „Wenn es schnell gehen muss, bin ich nun mal gezwungen, mit dem Auto zu fahren.“ Sonst nimmt die 49-Jährige am liebsten das Fahrrad. Die Spritpreise seien so horrend, da überlege sie es sich dreimal, ob sie das Auto wirklich brauche. Spricht’s, steigt in ihren Wagen und braust davon – eben hat sie knapp 80 Euro an der Jet-Tankstelle an der Berliner Straße gelassen.
So wie ihr geht es vielen Vielfahrern. Mehr noch als sonst gibt es in Wanne-Eickel und Herne einen regelrechten Tankstellen-Tourismus. Die Preise schwanken um einige Cent je Liter. Jet ist an diesem Donnerstagmittag eine der „günstigsten“ Zapfsäulen im Stadtgebiet: Knapp 1,60 Euro für den Liter Super. Shell hingegen, nur ein paar hundert Meter weiter, verkauft den Kraftstoff für fast 1,65 Euro. Die Nerven der Autofahrer sind arg strapaziert. Viele denken so wie der Fahrer des Mercedes mit RE-Kennzeichen, der bei BFT am Westring steht und über die „Unverschämtheit“ und die „Gier der Konzerne“ schimpft und darüber, dass die Pendler „ausgepresst“ würden „wie eine Zitrone“. Der Mann mittleren Alters macht ob seiner stämmigen Statur nicht den Eindruck, als sei das Fahrrad für ihn eine ernsthafte Alternative. Trotzdem droht er: „Meine Schmerzgrenze ist bald erreicht!“
Die Fahrrad-Lobby beobachtet schon seit einigen Jahren einen Trend weg vom Auto. Ulrich Syberg, der in Eickel wohnende Bundesvorsitzende des Verbandes ADFC, fordert, auf den „Verbund“ aus Fahrrad, Laufen, Bus und, wenn’s denn sein muss, Auto zu setzen. Syberg: „Junge Leute haben gar kein Interesse mehr daran, einen Führerschein oder gar ein eigenes Auto zu haben. Das ist eine Generationenfrage: Mein Vater wurde 1928 geboren. Der war stolz auf sein erstes Auto. Ich bin 1955 geboren, für mich ist das Auto schon kein Statussymbol mehr.“
Die HEM-Tankstelle an der Bochumer Straße: Zwei Zapfsäulen, zwei Minen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite ein bärtiger BMW-Fahrer, der mit säuerlicher Mimik zur Kasse stapft. Und direkt daneben steht Pina Rautenberg. Sie hat gerade für sagenhafte 4,32 Euro getankt. Damit komme ihr Roller locker 150 Kilometer weit. Die 27-Jährige hat zwar einen Pkw-Führerschein, ist aber überzeugte Rollernutzerin. „Für den Stadtverkehr reichen knapp über 50 km/h aus, und du kriegst überall einen Parkplatz, ohne ständig Gebühren zahlen zu müssen.“ So wie Rautenberg denken offenbar immer mehr Menschen. Sie wollen motorisiert sein, brauchen dafür aber kein Auto. „Das ist ein Thema in der Zweiradbranche“, bestätigt Karsten Schäfer, Geschäftsführer von Runo’s Roller-Welt. „Die verbrauchen nur drei bis dreieinhalb Liter. Viele kaufen sich wegen der Spritpreise statt eines Zweitwagens lieber einen Roller.“ Und wenn’s mal regnet? „Dann“, sagt Pina Rautenberg, „ziehe ich halt eine Regenjacke über.“