Die IG Metall ist in eine neue Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie eingestiegen. Darüber sprach die WAZ mitEva-Maria Kerkemeier, 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Herne und 2. Bevollmächtigte in Bochum.
Warum brauchen die Metaller einen neuen Tarifvertrag?
Gesamtwirtschaftlich haben die meisten Unternehmen ein exquisites Jahr 2011 hinter sich. Und auch für 2012, das sagen selbst die Arbeitgeber, sind die Perspektiven nicht die schlechtesten. Deshalb sind auch wir endlich mal an der Reihe: Wir wollen einen kräftigen Schluck aus der Pulle, den haben wir uns verdient.
Was sind Ihre zentralen Forderungen?
Wir haben drei: eine Neuregelung der Leiharbeit, eine unbefristete Übernahme der jungen Generation und mehr Geld ins Portemonnaie der Beschäftigten.
Fangen wir mit dem letzten Punkt an: Wie viel Prozent mehr Lohn wollen Sie denn?
Das diskutieren wir derzeit. Die Metaller haben im Krisenjahr sehr gelitten, die meisten können sich einen Abschluss mindestens wie beim Stahl vorstellen – der lag bei 3,8 Prozent.
Heißt: Sie fordern 7 Prozent mehr Lohn und Gehalt, die Arbeitgeber antworten mit 2 Prozent, und am Ende einigt man sich irgendwo in der Mitte?
Muss nicht sein! Wir können das Ritual auch gerne mal ändern! Unser Bezirksleiter berichtete kürzlich von Tarifverhandlungen in einem osteuropäischen Ausland. Die Kollegen dort konnten nicht verstehen, warum die deutschen Gewerkschaften etwas anderes durchsetzen, als sie fordern. Da sollten wir mal drüber nachdenken! Aber Spaß beiseite: Man kann durchaus überlegen, das Prozedere zu überdenken, sprich: Forderungen aufzustellen, die nah am Ergebnis sind. Das diskutieren wir derzeit.
Stichwort Leiharbeit: Was wollen Sie ändern?
Leiharbeit hat uns in den vergangenen Jahren richtig weh getan. Durch sie wurden Mitarbeiter massiv abgebaut, mehr noch: ganze Belegschaften ersetzt. Hinzu kommt, dass Leiharbeiter nicht mal fair bezahlt werden, also weniger verdienen als die Fachkräfte im selben Betrieb. Das muss sich ändern. Leiharbeiter müssen die Ausnahme sein – und gut bezahlt werden.
Zur dritten Forderung: eine unbefristete Übernahme der Auszubildenden. . .
Der aktuelle Tarifvertrag sieht eine Übernahme von zwölf Monaten vor, und nur zwölf Prozent der Kollegen, die ausgelernt haben, bekommen einen unbefristeten Vertrag. Die jungen Menschen aber haben eine Perspektive verdient. Wenn wir Facharbeitermangel begegnen wollen, müssen wir ihnen diese bieten.
Arbeitgeber sagen, eine unbefristete Übernahme sei eine „Verbeamtung“, mangelnde Leistungsbereitschaft sei die Folge. . .
Der Vorwurf ist eine Unverschämtheit. Und überhaupt: Ist „Verbeamtung“ jetzt ein Schimpfwort? Sind Beamte faule Hunde? Oder all jene in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis? Nein: Kollegen wollen etwas lernen, etwas leisten – und haben erst recht dann Spaß im Job und können sich erst recht dann auf die Arbeit konzentrieren, wenn sie ohne Druck arbeiten können. Deshalb brauchen sie einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Richten Sie sich auf einen harten Arbeitskampf ein?
Ich befürchte, wir werden uns auf eine harte Auseinandersetzung vorbereiten müssen, da sich in den ersten Verhandlungen keine Kompromissbereitschaft der Arbeitgeber zu den Themen Leiharbeit und Übernahme der Azubis erkennen ließ. Wenn es sein muss, werden wir uns selbstverständlich auch auf Warnstreiks oder Urabstimmung und Streik vorbereiten.
Die Fusion der Verwaltungsstellen Bochum und Herne der IG Metall für Mitte dieses Jahres ist perfekt. Ist noch eine Liebesheirat draus geworden?
Die Verlobung liegt hinter uns, der Ehevertrag ist unterzeichnet, und am 1. Juni treffen wir uns vor dem Standesamt. Das heißt: Wir sind auf einem richtig guten Weg. Viele Vorbehalte wurden abgebaut, die Kolleginnen und Kollegen aus Bochum und Herne haben sich kennen gelernt. Und überhaupt sind doch beide Städte ähnlich geprägt, die Menschen haben die gleiche Denke. Das passt. Aber natürlich schreien nicht alle Kollegen „Juchu“. Von einer Liebesheirat muss man deshalb nicht sprechen, vielleicht besser von einer Zweckehe. Man muss wissen: In Herne ist die Mitgliederentwicklung seit 2009 aufgrund der vernichteten Arbeitsplätze in der Metall- und Elektroindustrie leider rückläufig, so dass eine Selbstständigkeit langfristig kaum noch Sinn macht.
Ist im Ehevertrag auch verzeichnet, wer die neue IG Metall Bochum/Herne ab Sommer in die Zukunft führt?
Nein, bei uns wird die Führung gewählt. Und zwar am 26. Juni bei der konstituierenden Sitzung. Ulrike Kleinebrahm, 1. Bevollmächtigte in Bochum, tritt dabei als Kandidatin für den Posten der 1. Bevollmächtigten an, ich kandidiere für den Posten der 2. Bevollmächtigten. Abzusehen sind aber weitere personelle Veränderungen in diesem Jahr: Ulrike Kleinebrahm geht Anfang 2013 in die Freistellungsphase der Altersteilzeit.
Und Sie würden ihren Posten dann übernehmen?
Das wäre eine Möglichkeit, die gehen könnte.