Herne. Der Streit über die Ladenöffnungszeiten ist neu entbrannt. Edeka-Marktleiter Marcus Ulbrich kann dies nicht nachvollziehen. Aus seiner Sicht hat sich die Öffnung bis 22 Uhr bewährt.

„Tun Se mir mal noch 100 Gramm vom Aufschnitt bitte.“ Die Kundin im Business-Outfit erledigt den Großeinkauf. Draußen ist es dunkel, die Uhr zeigt 20.37 Uhr. In der Edeka-Filiale an der Hammerschmidtstraße ist es gefühlt noch mitten am Tag, einkaufen kann man hier bis 22 Uhr. Derzeit machen sich Politiker von SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, dafür stark, die Ladenöffnungszeiten wieder einzuschränken. Konkret geht es um eine Verkürzung von 22 Uhr auf 20 Uhr. Ein Besuch vor Ort.

„Für uns haben sich die neuen Öffnungszeiten gelohnt, wir haben zusätzlichen Umsatz generiert“, erklärt Marktleiter Marcus Urbich. Er kenne noch die Zeiten, in denen die Geschäfte Mittagspause gemacht haben. Seitdem hat sich einiges im Einzelhandel getan. Er schätzt, dass etwa zehn Prozent seiner Kunden zwischen 20 Uhr und 22 Uhr ihre Besorgungen erledigen. Eingekauft wird die gesamte Produktpalette, nicht nur die Flasche Wasser oder die Butter, die man beim Großeinkauf vergessen hat.

„Die meisten lassen sich Zeit und drehen ganz gemütlich ihre Runde durch den Markt“, hat Nicole Dausel beobachtet. Sie ist Verkaufsleiterin der Filiale und bestreitet mit ihren Kollegen abwechselnd die Abendschicht. Als Urbich die Öffnungszeiten vor rund fünf Jahren einführte, fragte er zunächst bei den Kunden den Bedarf ab (etwa zwei Prozent wollten gerne länger einkaufen) und anschließend die Mitarbeiter. Für diese wurden Stundenkonten angelegt. „Für die Familie ist das hart. Mein Mann muss manchmal am Sonntag arbeiten, und wenn ich Samstag im Laden bin, sehen wir uns am Wochenende fast gar nicht“, weiß Nicole Dausel.

Kein Verständnis

Auch Thea Decker (89) hat kein Verständnis dafür, dass einige Kunden abends noch einkaufen müssen. „Haben die kein Bett, wo sie sich reinlegen können? Das haben wir früher doch auch alles geschafft.“ Die Besorgungen erledigt sie mit ihrer Nachbarin Randi Karl in der Regel vormittags.

Anders als bei den Lebensmitteln verhält es sich in der Herner Innenstadt. Hier sind ab 19 Uhr, spätestens, die Bürgersteine hochgeklappt. Die Rollläden schließen, einkaufen kann man erst einen Tag später. „In den inhabergeführten Geschäften, stehen die Besitzer oft noch selbst hinter der Ladentheke. Auch die wollen irgendwann Feierabend haben“, erklärt Elisabeth Röttsches, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Herne City. Die Buchhändlerin meint, lange Öffnungszeiten seien in Herne vor allem für Lebensmittelhändler interessant. „Wenn der Kunde das Gefühl hat, er möchte um 19 Uhr nach Schuhen gucken und es haben nicht mehr alle Geschäfte seiner Wahl geöffnet, dann verliert der Standort“, warnt indes Susanne Brähmer vom Einzelhandelsverband Recklinghausen.

Wenn Angelika Lang sagt, sie ist „spät dran“, meint sie nicht den Einkauf am Abend. Ihr Mann Helmut hat Urlaub und sich Zeit gelassen, also sind sie zur Mittagszeit unterwegs. Angelika Lang käme nicht auf die Idee, abends einkaufen zu gehen. Und Helmut, der überlässt das Thema ohnehin meistens seiner Frau...