Die Demonstranten lassen sich Zeit. Keine akademische Viertelstunde, eher abwartende fünf Minuten – die Montagsdemo beginnt erst kurz nach 18 Uhr, wenn der Glockenschlag der Bonifatiuskirche verklungen ist.

Die Demonstranten lassen sich Zeit. Keine akademische Viertelstunde, eher abwartende fünf Minuten – die Montagsdemo beginnt erst kurz nach 18 Uhr, wenn der Glockenschlag der Bonifatiuskirche verklungen ist.

Die Männer und Frauen haben Geduld. Seit über sieben Jahren protestieren sie Montag für Montag auf dem Robert-Brauner-Platz, vor allem gegen Hartz IV, was die Entscheider in Berlin ziemlich kalt lässt. Doch nach einem Jahr, in dem viel Unvorhersehbares geschah, wittern die Protestler Morgenluft. Die Deutschen, so könnte man meinen, erweitern ihre Horizonte: Die CDU-Kanzlerin will raus aus der Atomkraft, die bodenständigen Stuttgarter gingen zu zig Tausenden auf die Straße, weil sie einen Bahnhof nicht wollen, für den ihre Politiker kämpfen. „Ich wünsche mir, dass sich der Stimmungsumschwung weiter entwickelt“, sagt Peter Weispfenning.

Der Moderator der Herner Montagsdemos rechnet damit, dass die Bewegung 2012 an Zulauf gewinnen wird. „Die Abwälzungen der Wirtschaftskrise werden auch in Deutschland ankommen.“ Ob die Anti-Hartz-IV-Demos davon profitieren? Die Gewerkschafterin Kristin Zuber glaubt daran. Sie verweist darauf, dass die Demos nach aktuellen Aufreger-Debatten regelmäßig erhöhten Zuspruch erführen. Dieser Zuspruch ist bislang zwar immer wieder abgeflaut. Zuber: „Wenn die Krisenlasten auf die Bürger abgewälzt werden, werden sich viele Leute, die jetzt noch mit der Faust in der Tasche rumlaufen, an uns erinnern.“ Die Protestler erwähnen nicht ohne Stolz, dass sie gegen Atomkraft, gegen Stuttgart 21 gekämpft hätten. „Nicht als Alleinvertreter“, so Peter Weispfenning, aber immer im Dienst der „guten Sache“. Sie fühlen sich bestätigt. Darin, dass sie sich thematisch nicht mehr auf die Agenda 2010 beschränken, sondern sich auch für Umweltschutz stark machen. Oder – Stichwort Zwickauer Terrorzelle – darin, dass sie von Anfang an betont anti-faschistisch gewesen sind.

Die nähere Zukunft malen sie düster: Die Krise werde ankommen bei den Menschen. Man dürfe sich, sagt Weispfenning, „von Angela Merkel keinen Sand in die Augen streuen lassen“.