Herne.. Ute Franz leitet als ärztliche Direktorin die LWL-Forensik in Bickern, wo seit Februar 90 psychisch kranke Straftäter leben.

Der Widerstand der Wanne-Eickeler gegen den Bau einer Forensik war bekannt, da kam 2010 eine Frau nach Herne, die dies in Dortmund schon einmal erlebt hatte: eine Klinik aufzubauen, die in der Nachbarschaft nicht willkommen war. Weil dort Straftäter therapiert werden und das rührt an Ängste, vor allem wenn diese Täter Sexualverbrecher sind. Ute Franz (51) kann das verstehen.

Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, die zu der Dortmunder Forensik nun noch die neue Klinik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Bickern leiten sollte, hat sich deshalb viele Male den nicht immer freundlichen Fragen gestellt. Sachlich, präzise, routiniert. Inzwischen hat sie den Eindruck: „Nachbarschaftstage und Bürgersprechstunden haben einiges bei vielen Mitbürgern auf ein rationaleres Niveau gebracht.“

„Bis die Patienten kommen, passiert ganz viel, dann geht das ruhige Arbeiten hinter der Mauer los“, sagt Ute Franz. 90 psychisch kranke Männer brachten die Busse im Februar aus den forensischen Kliniken in Eickelborn, Rheine und Dortmund. Die Hälfte wegen Körperverletzung oder einer „Straftat gegen das Leben“ nach § 63 Strafgesetzbuch zum Maßregelvollzug verurteilt, einer von vier ist Sexualstraftäter. „Vor ihnen hatte die Bevölkerung am meisten Angst. Wir haben immer gesagt: Es ist nur ein Anteil.“

Im Schatten der Zeche Pluto Wilhelm begann der Alltag. „Man erfindet das therapeutische Rad nicht neu“, sagt Ute Franz, auch wenn eine Klinik nie wie die andere sei. Für jeden Patienten wird ein individueller Therapieplan erarbeitet mit Gruppen- und Einzelstunden, Arbeitstherapien von Landschaftsbau bis Holzarbeit, Kunst- und Musiktherapie, Sport. Inzwischen sind „die Abläufe geübt, jetzt können wir zur eigentlichen Teamfindung übergehen.“ Erste gemeinsame Fortbildungen im Haus haben begonnen.

Ute Franz verbringt in der Regel drei Tage in Herne und zwei in Dortmund, wo sie auch wohnt. Administrative Aufgaben warten hier wie da, doch die Fachärztin ist auch eingebunden, wenn es um Therapiekonzepte geht und um Lockerungsmaßnahmen.

Zur forensischen Psychiatrie kam Ute Franz per Zufall und weil eine Leitungsfunktion sie reizte. Sie wurde 1998 Oberärztin einer frauenforensischen Abteilung im bayerischen Taufkirchen. In Altscherbitz bei Leipzig war sie dann als Chefärztin schon maßgeblich an der Planung eines Forensik-Neubaus beteiligt, 2004 kam sie nach Dortmund. „Man bekommt ein spezielles Know-how“, sagt sie, nicht nur was Bauliches angeht. Auch im Umgang mit Widerständen entwickele sich „eine gewisse Gelassenheit“. Für sechs Jahre hat sie in Herne unterschrieben, die doppelte Leitungsfunktion behält sie vorerst. Hat sie Perspektiven jenseits der Mauern? „Die Forensik hat gewisse Vorteile“, sagt Ute Franz. „In der allgemeinen Psychiatrie gibt es kaum Bereiche, in der so viel Zeit da ist, mit den Patienten zu arbeiten. Die Verweildauern werden dort unter Kostendruck immer kürzer.“ Die Zeit allein garantiere zwar keinen Therapieerfolg, „aber es gibt Fälle, wo Erstaunliches bewegt worden ist“.

Zeit für Privates blieb der Ehefrau und Mutter einer erwachsenen Tochter in den letzten Monaten kaum. Normal, findet sie, wenn eine Klinik ans Netz geht. „Ich weiß, dass sich die Work-Life-Balance wieder regulieren wird.“ Im Sport findet sie einen Ausgleich: „Ich laufe viel, das entspannt mich.“ Und sie schenkt sich nichts. Dortmund, Witten, Herdecke . . . „toll, was das Ruhrgebiet an Laufgebieten hat“. Die Erzbahntrasse gehört jetzt auch dazu.