Herne. Das Bildungspaket sorgt weiter für große Probleme. Aktuellste Baustelle: Schulessen für Kinder aus Hartz-IV-Familien.
Mittags im Offenen Ganztag: Ein Schüler bekommt keine Mahlzeit, weil er zwischen die Mühlen der Bildungspaket-Bürokratie geraten ist.
Nein, diesen Super-GAU hat es bislang in Herner Schulen noch nicht gegeben. Die Betonung liegt auf „noch“. Denn dass es bei der Mittagsverpflegung für Kinder aus Hartz-IV-Familien erhebliche Probleme gibt, räumen alle Beteiligten ein: die Stadt, das Jobcenter und nicht zuletzt die freien Träger, die den Offenen Ganztag (OGS) organisieren und besonders unter dem Chaos leiden.
Das „Bürokratiemonster Bildungspaket“ (Bernd Zerbe, Caritas) richtet auch deshalb so große Schäden an, weil der Mittagstisch in den Schulen bis zu den Sommerferien dank des Landesprogramms „Kein Kind ohne Mahlzeit“ fast reibungslos abgewickelt worden sei, so die Beteiligten. Das ist mit Einführung des Bildungspakets Vergangenheit. Zwar erhalten Bezieher von Sozialleistungen wie schon beim Landesprogramm einen Essenszuschuss von einem Euro pro Schulmahlzeit. Doch anders als bei „Kein Kind ohne Mahlzeit“ gilt nun das Prinzip „Keine Leistung ohne Extra-Antrag“. So will es der Bund.
Die Folge: Nicht wenige Anspruchsberechtigte, deren Kinder in der Schule verpflegt wurden, haben es bisher versäumt, den Zuschuss fürs Mittagessen bei den Behörden zu beantragen. Wie groß das Ausmaß des Problems ist, darüber gibt es keine belastbaren Zahlen. „Ihre Mahlzeit bekommen diese Kinder zurzeit trotzdem“, sagt Jürgen Schröder vom Schulreferat des Evangelischen Kirchenkreises Bochum, das auch in elf Herner Schulen für den OGS-Bereich verantwortlich zeichnet. Eine „höhere fünfstellige Summe“ habe das ev. Schulreferat dadurch bereits für den Mittagstisch in insgesamt 25 Herner und Bochumer Schulen vorstrecken müsse: „Doch irgendwann ist das Ende der Fahnenstange erreicht“, warnt Schröder. Das sieht auch Caritas-Vize Bernd Zerbe so, dessen Verband in elf Herner Schulen vor dem gleichen Problem steht.
Neben dem finanziellen Faktor führt er auch den großen Aufwand an: „Die Kollegen gehen am Stock, weil die Leute mit den Anträgen nicht klarkommen und uns häufig um Rat fragen“, sagt Zerbe. Sein Vorschlag: Das Antragsverfahren müsse vereinfacht werden. Die Einzelposten fürs Bildungspaket müssten an die alle sechs Monate notwendige Verlängerung des Hartz-IV-Bescheids gekoppelt werden.
Diskussionen in diese Richtung habe es auf Bundesebene bereits gegeben, sagt der städtische Bildungspaket-Koordinator Klaus Karassek. Er habe „großes Verständnis“ für die Träger. Die Stadt tue alles, um das Verfahren so unbürokratisch wie möglich zu gestalten, stoße aber (auch an datenschutzrechtliche) Grenzen.
Die Stadt setzt ebenfalls auf eine schnelle Lösung auf Bundesebene. Oder wie es Jürgen Schröder formuliert: „Wir müssen das Bürokratiemonster bändigen.“