Herne. . Bis Sonntag dauert die Weltstillwoche noch, eine den Globus umspannende Kampagne, um die öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung für das Stillen zu erhöhen.Dr. Joachim Neuerburg(60) ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe – und ein überzeugter Verfechter für das Verabreichen von Muttermilch.
Bis Sonntag dauert die Weltstillwoche noch, eine den Globus umspannende Kampagne, um die öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung für das Stillen zu erhöhen. Dr. Joachim Neuerburg (60) ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe – und ein überzeugter Verfechter für das Verabreichen von Muttermilch.
Sind Ihre Kinder gestillt worden, Herr Dr. Neuerburg?
Neuerburg: Ja, meine Kinder wurden gestillt. Aber nicht von mir (lacht). Aber wussten Sie, dass Rasputin von einem Mönch gestillt worden sein soll? Es gibt einen Stich, der das zeigt.
Warum sollten Mütter denn überhaupt stillen?
Das Stillen hat riesige Vorteile für die Entwicklung des Kindes, für die Entwicklung der Intelligenz, für die Mutter-Kind-Bindung. Es hat auch günstige psychische Auswirkungen. Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Allergien und Fettsucht werden deutlich reduziert. Gestillte Kinder sind weniger oft adipös. Während der Stillzeit sind Kinder zwar kräftiger, anschließend aber nicht mehr.
Wie viele IQ-Punkte kann Muttermilch denn bringen?
Es gibt Untersuchungen, die belegen, dass Muttermilch den IQ eines Kindes um bis zu zehn Punkte verbessern kann. Ob es tatsächlich stimmt, weiß ich nicht. Aber solche Gerüchte kann man ruhig in die Welt setzen. . .
Also stillen um jeden Preis?
Im Prinzip schon. Denn auch die Gesundheit der Mutter wird gefördert. Die Gewichtsreduktion nach der Geburt funktioniert besser, und auch die Gebärmutter bildet sich schneller zurück. Und während des Stillens produziert der Körper das Hormon Oxytocin, dass für Glücksgefühle sorgt.
Warum stillen dann nicht alle Frauen ihre Kinder?
Stillen ist auch anstrengend, das muss man ganz klar sagen. Eine stillende Mutter wird nachts zwangsläufig häufiger wach. Die Tiefschlafphasen werden kürzer, dafür aber häufiger. Die Natur reguliert das. Es kann neben Stress auch zu Brustentzündungen kommen. Beides bewirkt eine Reduzierung der Muttermilch. Genau wie übermäßiger Nikotin-Genuss.
Rauchende Frauen dürfen stillen?!
Ja, bis zu zehn Zigaretten am Tag sind unproblematisch. Die obere Grenze liegt bei 15 Zigaretten pro Tag. Nicht, weil dann Nikotin oder andere Schadstoffe in die Muttermilch gelangen, sondern weil ab dieser Menge Nikotin weniger Muttermilch produziert wird.
Wie viel Muttermilch darf ein Kind denn bekommen?
Ein Überfüttern ist mit Muttermilch schlichtweg nicht möglich, weil der Körper des Säuglings die Inhaltsstoffe leicht abbaut. Muttermilch ist nicht so kalorienreich wie künstliche Muttermilch. Mit Ersatznahrung kann sehr wohl überfüttert werden, dann bekommt das Kind zu viel Energie verabreicht. Die Ersatznahrung wird zwar heute schon ganz ordentlich hergestellt, kommt aber nicht an das ,Original’ heran. Wir entfremden uns immer mehr von der Natur. Das ist nicht gut.
Wie oft sollte ein Kind am Tag gestillt werden?
So oft, wie das Kind will. Das Kind wird den Rhythmus schon finden. Bis zu 20 Mal am Tag ist kein Problem. Als unterster Richtwert gelten zwar sechs Stillvorgänge, aber es können auch weniger sein, wenn das Kind an Gewicht zunimmt und gedeiht. Ich empfehle ein frühes Anlegen sofort nach der Geburt, häufiges Anlegen und die Inanspruchnahme von Hilfe, etwa durch Stillberaterinnen.