Herne. .
„50 Jahre Muslime in Herne – auf dem Weg vom Fremden zum Vertrauten“ – unter diesem Motto lud die VHS am Willi-Pohlmann-Platz Dienstag zum Dialog in den „Clubraum“.
Pfarrerin Gabriele Stückemann (Eine Welt Zentrum), Hüseyin Inam (Mitglied des Muslimischen Theologenbundes in Europa e.V.), Muzaffer Oruc (Integrationsrat) und Hidayet Baslamis, der vor 41 Jahren als Gastarbeiter nach Wanne-Eickel kam und bis heute hier lebt, näherten sich in Vorträgen dem sensiblen Thema und stellten sich den Fragen des Publikums.
Eigentlich sollten die jungen Männer, die damals aus lden Provinzen der Türkei nach Deutschland kamen, nur zwei Jahre hier arbeiten. So war es durch das Anwerbeabkommen zwischen Türkei und Deutschland vorgesehen. Familien sollten nicht nachgeholt werden. „Die Betriebe wollten aber nicht alle zwei Jahre neue Arbeitskräfte anlernen. Die Gastarbeiter blieben und holten später ihre Familien nach“, erklärte Gabriele Stückemann.
So auch Hidayet Baslamis aus Konya, einer Provinz in Mittelanatolien. Der heute 72-Jährige kam 1970 nach Wanne-Eickel, um als Rangierer bei der Bundesbahn zu arbeiten. 1979 holte er seine fünf Kinder aus erster Ehe nach.
Publikum
reagierte überrascht
„Wie haben Sie von den Arbeitsplätzen in Deutschland erfahren?“, fragte ihn Gabriele Stückemann. Baslamis antwortete nicht, Hüseyin Inam sprang für ihn ein und übersetzte die Frage für den Rentner. Der nickte und antwortete auf Türkisch -- zur Überraschung des Publikums. Er habe nur seine Schulden abbezahlen und dann wieder zurückkehren wollen, so Baslamis. Doch dann habe er erkannt, so übersetzte Inam den 72-Jährigen, dass man noch mehr habe verdienen können. Deshalb habe er auf ein Haus mit Grundstück in der Türkei sparen wollen. Er bereue, dass er sich nie ein Haus in Deutschland gekauft habe.
Dann stellte Stückemann die Frage, die auch im Publikum längst laut geworden war: „Warum sprechen Sie so wenig Deutsch?“ „Als die Gastarbeiter hierher kamen, wurden sie 70 Tage lang von den Betrieben in Deutsch unterrichtet“, übersetzt Inam für Baslamis, „da sei er der Beste in der Klasse gewesen“. Doch danach sei nur noch gearbeitet und konsumiert worden, Baslamis lebte in einem Heim mit anderen Gastarbeitern und verließ es so gut wie nie. „Möglichkeiten zum Deutschsprechen entstanden nicht“, übersetzte Inam. Wie sei er dann mit den Behörden klargekommen?, wollte ein Mann wissen. „Es gab einige Arbeiter, die gutes Deutsch sprachen, die haben sich darum gekümmert“, so die Antwort.
„Die meisten Arbeiter stammten aus den Provinzen. Die türkische Regierung hoffte, dass sie sich in Deutschland Fachkenntnisse aneignen und diese dann in der Türkei einbringen würden. Sie sollten zivilisiert werden“, gab Inam später Auskunft. „Als die Familien ebenfalls nach Deutschland kamen, setzte bei den Arbeitern der religiöse Reflex ein“, erklärte er weiter. Es sei nicht länger auf den Fluren der Heime gebetet worden, sondern erste Gebetsräume seien angemietet worden.
Mittlerweile gibt es zwölf Moscheen in Herne. Prozentual gesehen gingen mehr Muslime in Moscheen als Christen in Kirchen, sagte Inam. Deshalb seien die Moscheen „repräsentativer“ als Kirchen.