Herne. .

Die meisten Buden sind noch geschlossen, trotzdem lockt die Kirmes schon die ersten neugierigen Besucher.

Das Riesenrad steht schon da, wo es immer steht. Die fünf Loopings der Achterbahn sehen auch so aus, als könne die erste Testfahrt bald starten. An den Losbuden werden an Seilen mit Haken riesige Kuscheltiere hochgezogen. Die Aufbauarbeiten auf der Cranger Kirmes sind bereits weit fortgeschritten. An allen Ecken wird geputzt, geschraubt, gearbeitet. Nur hier und da fehlen noch Schienenteile, Seitenwände oder das letzte LCD-Lämpchen.

Noch stehen zwar die Waggons der Fahrgeschäfte still, die Cranger Kirmes lockt trotzdem die ersten Besucher auf den Kirmesplatz – und die können an einigen Stellen sogar schon Pommes, Würstchen und kühle Getränke kaufen. Fünf Stände öffnen etwa 14 Tage vor dem Kirmesstart. Eigentlich sind sie als „Kantinen“ für die Kirmesarbeiter gedacht. Versorgt werden dort aber auch schaulustige und neugierige Kirmes-Fans – der „Aufbautourismus“, wie Schaustellerpräsident Albert Ritter sagt.

Dass die Leute schon vor dem offiziellen Kirmesbeginn über den Platz schlendern und bei den Aufbauarbeiten zuschauen, ist laut Ritter „schöne Tradition“ und absolut „ruhrgebietstypisch“. Der Ursprung des Ganzen liege in der Zeit, in der das Kirmesgeld noch knapp gewesen sei. „Damals haben sich die Kinder bei Oma und Opa ein paar Kirmesgroschen geholt und sind dann gucken gegangen, wo sie das Geld ausgeben wollen“, schmunzelt er. Von den Erwachsenen seien die Kirmesarbeiter durch ihren Besuch auf besondere Weise gewürdigt worden, „weil sie eben auch Malocher waren“. Auch heute sei das nicht viel anders.

Nicole (38) und Martin (39) Willert zum Beispiel machen einen kleinen Kirmes-Ausflug mit ihrer achtjährigen Tochter Julia. „Man freut sich doch das ganze Jahr auf die Kirmestage“, sagt Martin Willert, „so kann man schon mal gucken, was in diesem Jahr da ist und wo welche Sachen stehen.“ Bevor die Runde losgeht, genehmigen sich die drei eine Bratwurst im Brötchen.

Auch für die Fahrradgruppe des Vereins Sport mit Senioren ist ein Kirmesbesuch vor dem Start langjährige Tradition. „Wir machen jeden Montag eine Radtour“, sagt Rosemarie Ziegelmann (77), „und am Montag vor dem Kirmesstart ist das Ende der Tour immer hier.“ Bei einem kühlen Pils könne man schon einmal die Atmosphäre schnuppern und sich auf die Kirmes einstimmen: „Das gehört dazu, so wie man zum Feuerwerk, zum Umzug oder zum Schaustellergottesdienst geht.“

Bei Evy Berge kann man tatsächlich von einer Aufbautouristin sprechen. Denn die 38-Jährige kommt nicht aus Wanne-Eickel oder Herne, sondern aus Norwegen. Mit ihrem Mann Christoph Berge (39), den Kindern Stine (6), Annie (8) und Johannes sowie ihrem Schwiegervater Randolf Kuberka (67) schaut sie sich an, wie die Arbeiten vorangehen. Zwar kommt die Familie Berge nicht nur wegen der Kirmes nach Herne, interessant ist der Aufbau aber allemal. „Eigentlich machen wir hier Urlaub und besuchen die Eltern meines Mannes. Die wohnen in Wanne-Eickel“, so Evy Berge. „Aber wenn die Enkel schon mal da sind“, schmunzelt Kuberka, „muss man doch schauen, wo man hingehen kann, um sein Geld loszuwerden.“