Herne. . Stell’ dir vor, es ist WM und keiner schaut die Spiele. Ganz so dramatisch ist die Lage in Herne zwar nicht, aber das Interesse vor Ort an der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen im eigenen Land ist verhalten, wie die WAZ-Umfrage auf der Bahnhofstraße zeigte. Wer guckt? Wer nicht?
Stell’ dir vor, es ist WM und keiner schaut die Spiele. Ganz so dramatisch ist die Lage in Herne zwar nicht, aber das Interesse vor Ort an der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen im eigenen Land ist verhalten, wie die WAZ-Umfrage auf der Bahnhofstraße zeigte. Wer guckt? Wer nicht?
„Kommt drauf an, wie weit Deutschland kommt“, sagt Claudio Tagnani (49) aus Crange. Prinzipiell hat der „begeisterte Fußball-Fan“ wenig Interesse an der kickenden Damenwelt. Bei Frauen-Fußball ist der Mann mit den italienischen Wurzeln „skeptisch“. „Es sieht technisch und körperlich nicht so gut aus wie Männerfußball. Aber vielleicht gewöhnt man sich dran. Oder es wird besser.“ Und noch etwas stört Claudio Tagnani: dass die Frauen in Schwarz-Weiß so wenig Konkurrenz haben.
„Das ist langweilig, weil Deutschland immer gewinnt“, kommentiert sein Sohn Elia (8). Der Grundschüler steht bei Wanne 11 in der F-Jugend im Tor. Und – kein Scherz: Er muss sich das Tor mit einem Mädchen teilen. Eine Halbzeit lang steht er zwischen den Pfosten, die andere seine Konkurrentin Julia. „Die ist ganz schön gut, da muss Elia sich schon anstrengen“, sagt Vater Claudio lachend.
Bei Jens Krisam (25) bleibt die Flimmerkiste zur Frauen-WM aus. Das hat aber nichts mit dem Geschlecht zu tun: „Ich interessiere mich überhaupt nicht für Fußball.“ Eine Meinung zum Thema hat der junge Mann aus Herne-Mitte trotzdem: „Frauen können definitiv so gut Fußball spielen wie Männer.“ Früher im Sportunterricht – wenn Fußball auf der Tagesordnung stand – habe es zwar auch „Tussis“ gegeben, die sich anstellten, „aber da waren schon Mädchen dabei, die das volle Programm durchgezogen haben“. Also Grätsche, Schuss und Tor.
Doris Maiwald (57) aus Castrop hat mit Fußball nichts am Hut: „Das ist für mich kein Thema.“ Sie schaltet den Fernseher bei einer Männer-WM auch nur dann ein, wenn die Deutschen es bis ins Finale schaffen. „Wenn die Frauen im Endspiel sind, dann schaue ich das auch“, sagt die Grundschullehrerin, die weiß, dass Frauen so gut Fußball spielen können wie Männer. „Im Sportunterricht spielen die Mädchen genau so gut wie die Jungs. Sie sind genau so wendig, genau so versiert und genau so interessiert.“ Aber Tatsache sei nun mal, dass Frauenfußball sich noch nicht so etabliert habe.
„Ich denke, dass Frauen anders spielen, aber genau so gut. Die Frauen haben sich emanzipiert, auch im Fußball“, erklärt Sabrina Karimi (31). Wenn es die Zeit zulässt, will sie die WM-Spiele verfolgen - - überwiegend die mit deutscher Beteiligung. Schmückt sie denn auch ihr Auto in Schwarz-Rot-Gold? „Auf Fahnen am Auto stehe ich generell nicht – auch nicht zur Männer-WM.“
Für manche ist eine Fußball-Weltmeisterschaft nur dann perfekt, wenn sie zum Public Viewing gehen können. „Wir werden im Hintergrund alle Spiele laufen lassen“, sagt Jens Willemsen (38), Pächter des „Nils“ in Herne-Mitte; er will seinen Dienst dann im Trikot der (Männer-)Nationalmannschaft verrichten. Der Gastronom aus der Innenstadt hat sogar eine Karte für die WM-Begegnung zwischen Frankreich und Kanada im Bochumer Stadion. Sein Neffe wird ihn dort hin begleiten. Eine seiner Kellnerinnen im Nils spielt sogar Fußball. Auch frühere Kellnerinnen hätten gekickt: „So ungewöhnlich ist es dann doch nicht mehr“, stellt er fest.