Herne. .

Der Kaffee ist längst aufgesetzt. Wasserflaschen stehen literweise bereit. Der Himmel ist wolkenlos, die Mittagssonne scheint, so wie die auf dem Anstecker, den Edith Grams am Kragen trägt. Am Sonntag machte der Ostermarsch Ruhr Station an der Kreuzkirche.

Alles war vorbereitet. Nur einer ließ noch auf sich warten: der Ostermarsch.„Ich schiele schon immer herüber“, sagt Edith Grams und wirft einen Blick Richtung Archäologie Museum. Grams – „Atomkraft? Nein danke“-Button; hellblaues T-Shirt, Aufschrift: „Die Waffen nieder“ – ist Sprecherin der Herner Friedensinitiative, mit ihrer Gruppe und Gleichgesinnten will sie in wenigen Minuten die Teilnehmer des traditionellen Friedenszugs in Empfang nehmen. Doch bis jetzt fehlt von den Aktivisten jede Spur. „Wir haben gerade telefoniert, ein paar Minuten noch.“ Wie viele kommen denn? So genau weiß Grams das nicht. „Die haben gesagt: viele.“

Viele Teilnehmer, das ist, worauf die Friedensbewegung seit Jahren bei ihren Ostermärschen hofft. In den 1960ern als Demonstration gegen die atomare Aufrüstung ins Leben gerufen, waren die jährlichen Umzüge einst Höhepunkt im Protest-Kalender tausender Kriegsgegner. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Kalten Kriegs ließ das Interesse dann aber sichtbar nach. Auch in Herne ist das heute nicht anders. Nicht ganz 70 Herner warten auf die rund hundert friedensbewegten Radfahrer, die auf ihrer dreitägigen Tour von Essen, über Gelsenkirchen und Wattenscheid gerade auf dem Weg Richtung Europaplatz sind.

Dabei, findet Edith Grams, hätte die Ostermarsch-Agenda auch nach einem halben Jahrhundert nicht an Aktualität eingebüßt. „Die ursprüngliche Forderung ist noch nicht erfüllt.“ Die lautet: atomare Abrüstung. Am besten sofort. Aus aktuellem Anlass hat sich der Fokus allerdings leicht verschoben. Neben Themen wie dem Krieg in Afghanistan und dem Einsatz der Nato in Libyen, sind in diesem Jahr nicht die Atomwaffen Zentrum des Protests, sondern die Gefahren der Kernenergie.

Das wird auch deutlich, als der Fahrradkonvoi mit 20-minütiger Verspätung laut klingelnd in Herne-Mitte eintrifft. Viele der Radfahrer haben ihre Drahtesel mit Fahnen und Aufklebern geschmückt. Die Botschaft ist eindeutig: Atomkraft? Nein danke.

Auch Paul Tenbusch ist unter den Protestierenden. Der 74-Jährige ist seit den 1960ern an Ostern in Bewegung, hat viel erlebt und ist sich spätestens seit dem Unfall in Tschernobyl sicher: „Diese Technik ist nicht beherrschbar.“ Seine Begleiterin Marion Köster kann dem nur zustimmen. Auch sie ist seit Langem dabei, der Ostermarsch ist für sie ein Muss. „Was wäre die Alternative?“, fragt die 53-Jährige Essenerin, natürlich rein rhetorisch. „Sich in den Garten setzen, grillen und meckern?“ Da schwinge sie sich lieber aufs Fahrrad. Nach kurzer Rast macht sie das auch wieder. Es geht weiter nach Bochum-Langendreer. Die warten da längst.