Seit sieben Jahren lebt der Ägypter Islam Abdelrazek als selbstständiger Physiotherapeut in Herne. Die Entwickung in seinem Heimatland beobachtet er mit Sorge.
Islam Abdelrazek ist Physiotherapeut und Inhaber der Physio-Wellness-Welt im Herner LAGO. In seinem Massagestudio herrscht ein angenehmes Ambiente. Auch Abdelrazek selbst macht äußerlich einen entspannten Eindruck, selbst angesichts der Bilder, die ihn zurzeit täglich aus seiner Heimat erreichen.
Innerlich hingegen verspürt Islam Abdelrazek eine gewisse Unruhe: „In meinem Land stimmt etwas nicht - ich habe Angst um Ägypten“, blickt der Physiotherapeut mit sorgenvoller Miene in die Zukunft seines Heimatlandes. Dabei ist sich der 38-jährige sicher: „Das Regime muss weg, die Frage ist nur das Wie“. Eines scheint klar, die Bilder der Revolution in und um Kairo lassen Abdelrazek nicht kalt. Täglich telefoniert er mit seinen Verwandten, die verteilt in ganz Ägypten leben, einige davon auch in Kairo. Von denen erhält Abdelrazek sozusagen Informationen aus erster Hand.
Den berichterstattenden Medien vertraut der Ägypter nicht wirklich: „Viele Journalisten werden vom Regime bezahlt“. So berichteten einige seiner Verwandten, dass gut die Hälfte der Demonstranten auf den Straßen Kairos nicht Ägypter seien, sondern Ausländer, die mit ihrer Situation im Lande, vor allem mit der Arbeitslosigkeit, nicht zufrieden seien.
Politische Bedenken hat Islam Abdelrazek nicht wirklich gehabt, als er sein Heimatland verließ. Mit vier Jahren kam der gebürtige Algerier nach Ägypten, wo er in Ismaïlia aufwuchs, etwa 120 km von Kairo entfernt. Später verließ er das Land, um nach einer Zwischenstation in Italien in die USA zu gehen. In einem Ritz-Hotel in Kalifornien machte Abdelrazek dann seine Ausbildung zum Physiotherapeuten, wo er auch seine jetzige deutsche Frau kennen lernte. Anschließend folgte er ihr nach Deutschland.
Mittlerweile ist Islam Abdelrazek seit sieben Jahren hier. Nach Ägypten möchte er nicht zurück. „Ich mache sehr oft Urlaub dort und besuche meine Verwandten“, sagt er. Abdelrazeks Bruder beispielsweise lebt in dem Touristenort Scharm El-Scheich. Die Lage dort, so berichtet dieser, sei zwar entspannt, aber dafür blieben nun die Touristen fern – aus Angst. Kein Wunder, angesichts der TV-Bilder aus der Hauptstadt Kairo.
Angst hat auch Islam Abdelrazek. „Außenpolitisch war Präsident Mubarak fantastisch, in der Innenpolitik liegt jedoch das Problem des Landes“, sagt er und fügt hinzu: „Die aktuelle Protestbewegung ist jetzt richtig, aber ich habe Angst, dass Islamisten das ausnutzen könnten“. So habe Abdelrazek erfahren, dass Anhänger der Muslimbrüder jungen und arbeitslosen Ägyptern Geld gezahlt hätten, um die islamisch-fundamentalistische Bewegungen zu unterstützen.
Vor allem aber fürchtet Abdelrazek die überstürzte Wahl eines neuen Präsidenten: „Die Anwärter auf den Posten sind noch nicht so bekannt. Sie sind wie eine geschlossene Wassermelone – man weiß nicht, ob sie innen rot ist“. Auch zum zögerlichen Verhalten der deutschen Regierung in Sachen Mubarak hat Abdelrazek eine Meinung: „Frau Merkel versucht in der Sache neutral zu bleiben, so wie eine Lehrerin, die ihre störenden Schüler ermahnt, ohne jedoch einzugreifen“
Für die Zukunft wünscht sich der in Herne arbeitende Ägypter nur eines: „Die demonstrierenden Menschen sollen nun wieder nach Hause gehen, und ihre Arbeit machen.“ So habe die jetzige Regierung eine Chance, etwas zu unternehmen.