Herne. .

Wolfgang Kohl ist einer von neun Herner Schiedsmännern. Der 74-Jährige hat die Gelassenheit, die man für diese Aufgabe braucht, bei der Bahn gelernt.

Ihn kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Wolfgang Kohl erzählt ganz ruhig vom Streit am Gartenzaun, Beleidigungen und Hausfriedensbruch. In solchen Fällen sucht der 74-Jährige nach Lösungen. Reden sei wichtig als Schiedsmann. Und zwar mit beiden Parteien. „Man kann so etwas nicht machen, indem man einfach bestimmt.“

Wolfgang Kohl kommt ins Spiel, wenn andere sich nicht mehr verstehen. Dann kann man ihn anrufen und um Hilfe bei der Suche nach einem Kompromiss bitten. Fast so wie Politiker und Schlichter Heiner Geißler bei Stuttgart21. „Unsere Erfolgsquote beträgt 50 Prozent“, sagt Kohl. „Unsere Tätigkeit soll auch die Gerichte entlasten.“

Die Streithähne treffen meist im kohlschen Wohnzimmer aufeinander. Manchmal sind’s bis zu acht Personen. „Ich bitte meine Frau höflich, sich außerhalb der Wohnung aufzuhalten“, sagt Kohl, der damit neutralen Boden herstellen will.

Dann wird diskutiert. Alle Argumente müssen auf den Tisch. Oft gehe es um lächerliche Kleinigkeiten. Manchmal sei es zum Schmunzeln. Beispiele? Kohl will auch im Nachhinein nicht darüber reden. Diskretion!

Eine Lösung sei manchmal schnell gefunden. „Wenn Rechtsanwälte dabei sind, kommt’s oft vor, dass die Anwälte einer Meinung sind.“ Nur den Streithähnen sei der Sinn einer Versöhnung nicht immer schnell begreiflich zu machen.

Klappt’s nicht bei Kohl im Wohnzimmer, dann geht’s vor Gericht. „Ich stelle dann eine Erfolgslosigkeitsbescheinigung aus. Das ist die Eintrittskarte zum Gericht.“ Das werde dann aber auch wesentlich teurer. Während das Schiedsamt für eine Schlichtung zwischen 35 und 50 Euro nimmt, muss der Unterlegene vor Gericht oft mehrere hundert oder mehrere tausend Euro auf den Tisch legen.

Wolfgang Kohl hat ein Auge auf den Bezirk Herne-Mitte. „Man soll auch dort wohnen.“ Neun Kollegen gibt’s im ganzen Stadtgebiet. Jeder ist im Schnitt für 20 000 Einwohner zuständig. Wenn einer der Streitschlichter krank ist, dann vertreten sie sich gegenseitig.

Seine Fähigkeit zur Ausgeglichenheit hat Kohl bei der Bahn gelernt. Da fing er 1950 als Jungwerker an, wartete Weichen, installierte Technik und begleitete Züge. Später wechselte er in den mittleren Dienst, wurde Diensteinteiler. Dort galt das gleiche Motto wie beim Schlichten: „Man kann so etwas nicht machen, indem man einfach bestimmt.“

Der Ex-Bahnler ist seit 40 Jahren Ehrenamtlicher. Die Erfahrungen kommen ihm beim Schlichten zugute. Denn viel Lohn gibt’s dafür nicht. Die Aufwandsentschädigung für ein Jahr deckt kaum den gesparten Gegenwert einer einzigen Gerichtsverhandlung ab. Kohl macht’s trotzdem gerne. Die SPD hat ihn vor elf Jahren für das Amt vorgeschlagen. Der 74-Jährige will weitermachen, „solange es mir gesundheitlich noch gut geht“. Gerade erst hat er eine Weiterbildung als Mediator gemacht. Dafür hat er sich noch intensiver mit den Grundlagen der Psychologie auseinandergesetzt. „Mediation ist im Grunde etwas, was wir als Streitschlichter schon seit 180 Jahren tun“, sagt er. Und kehrt noch einmal auf seine Grundlagen zurück: „Man kann so etwas nicht machen, indem man einfach bestimmt.“