Herne. .

Margherita Sinnathamby ist mit Büchern aufgewachsen. In Italien geboren, kam sie mit ihrer tamilischen Familie nach Deutschland, als sie zwei Jahre alt war. Vor allem ihre Mutter begleitete sie in die Stadtbibliothek.

„Wir haben uns gegenseitig die deutsche Sprache beigebracht“, sagt die heute 18-jährige Schülerin des Haranni-Gymnasiums. Als Vorlesepatin gibt Margherita seit Beginn des Jahres denen, die heute Kinder sind, etwas zurück. Themen wie die Fußball-Weltmeisterschaft oder aktuell die Interkulturelle Woche finden bei den Lesenachmittagen ihren Widerhall. Dabei ist aktives Mitmachen erwünscht: „Wir lesen vor, lassen aber auch lesen und stellen anschließend Fragen“, erklärt die Lesepatin, die Kinderpsychologin werden möchte. „Dabei achte ich auch auf die Aussprache.“ Auch für das interkulturelle Miteinander, das ihr ein Anliegen ist, findet sie die Leseaktion in der Bücherei wichtig: „Man kommt sich näher, lernt die Kulturen kennen und baut Vorurteile ab.“

Das kommt Karin Anlauf, der Leiterin der Stadtbibliothek, sehr entgegen. Denn darauf arbeitet sie hin. Integration wird in der Bibliothek groß geschrieben. Das fängt schon bei den jüngsten Lesern an. In der Kinderabteilung gibt es ein Regal „Fremdsprachige und zweisprachige Kinderbücher“. Zum größten Teil sind das Bilderbücher mit türkischen und deutschen Textelementen. „Es gibt schon Verlage, die spezialisieren sich darauf“, sagt Karin Anlauf. Mit solchen Medien möchte die Stadtbibliothek Kinder, deren Muttersprache eine andere ist, an die deutsche Sprache und damit an ihr Buch-Angebot heranführen, ohne ihnen dabei die fremde Mundart „austreiben“ zu wollen – Integration eben.

Für die „Fremdsprachen-Ecke“ im erwachsenen Teil der Einrichtung wünscht sich Karin Anlauf für die nächste Zeit etwa einen Reiseführer über Deutschland in türkischer Sprache. „Wir wollen Texte anbieten, um Herne und Deutschland erfahrbar zu machen. Das ist Integration“, sagt die Bibliotheksleiterin. Auch in andere Richtungen wolle man den rein räumlich „in sich geschlossenen Bereich“ noch ausbauen, gezielter auf Wünsche eingehen.

Zur Fremdsprachenecke gehören die Rubriken Fremdsprachige Romane, Deutsch als Fremdsprache, Erlernen einer Fremdsprache und Erste leichte Lesetexte. Die nichtdeutschen Romane sind überschaubar und zumeist in Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch, Russisch und Türkisch verfasst. Warum gibt es keine griechischen, keine polnischen, keine arabischen Bücher? „Unser Angebot ist nachfrageorientiert. Außerdem können wir nicht jegliche Sprachen anbieten“, sagt Karin Anlauf. Zudem könne dieses Angebot auch etatmäßig nur ein kleines sein.

Deutsch-Lern-Kurse und niedrigschwellige Angebote wie das Bilderbuch-Kino, Vorlese-Nachmittage und eine Bibliotheks-Einführung für Erwachsene mit unterschiedlicher Herkunft in ganz einfachem Deutsch komplettieren das Angebot und gehören zum von der Einrichtung verfassten Zukunftskonzept.

Einen Deutsch-Kurs hat Sarah Chaabani (29) nicht nötig. Schon Jahre bevor sie in Herne zur Welt kam, waren ihre Eltern aus Tunesien nach Deutschland gezogen. Die junge Frau trägt Kopftuch und studiert in Düsseldorf Pharmazie, sie hat das zweite Staatsexamen vor sich. Sie nutzt die Stadtbibliothek, schaut ergänzend zu ihren eigenen Büchern in die Leih-Wälzer und kann dort in Ruhe lernen. „Ich habe die Bibliothek schon vor meinem Studium aufgesucht. Auch für mein Abitur habe ich hier gelernt.“

Eine Kundenbefragung der Stadtbibliothek hat übrigens ergeben, dass knapp 25 Prozent der Leser einen Migrationshintergrund haben. Gemessen am Ausländeranteil im Ruhrgebiet von etwa 20 Prozent kommen demnach überproportional viele Migranten in die Bibliothek. Das entspricht auch der persönlichen Einschätzung von Sarah Chaabani: „Migranten nutzen das Angebot verstärkt.“

Der Plan von Karin Anlauf und ihrem Team scheint aufzugehen, bevor er überhaupt richtig in die Tat umgesetzt wurde. Die Stadtbibliothek ist auf dem richtigen Weg.