Baukau. .
Alles sollte ganz stilecht sein. Deshalb betrug das Eintrittsgeld nicht 8 Euro, sondern 8 „goldumrandete abendländische Silberlinge“, was fürs Portemonnaie aber keinen Unterschied machte.
Dafür bot das Mittelalter-Spektakel rund ums Schloss einen ziemlich detaillierten Einblick in den Alltag unserer Vorfahren – wenn auch nicht jede Aktion historisch belegt ist.
Die mehreren Tausend Besucher, die Samstag und Sonntag in den Schlosspark kamen, sahen beispielsweise, wie sich der Mensch in der präcomputerisierten Ära die Zeit vertrieb. Etwa mit Spielen wie dem, das zwei Frauen in Holzschuhen ausprobierten: Eine Mischung aus Kegeln und Boule, es ging darum, mit einem Holzklotz Spielfiguren des Gegners umzuschmeißen. Und wenn es um Freizeitvergnügungen dieser Epoche geht, dürfen Ritterturniere natürlich nicht fehlen. Die waren neu im Programm des Mittelalter-Spektakels und lockten viele Zuschauer an. Je zweimal an beiden Tag führten Männer hoch zu Ross und eingepackt in Rüstungen vor, dass die Käbbeleien mit der Lanze damals bestimmt keine Kuschelveranstaltungen waren.
Der gesamte Schlosspark war für das Spektakel abgesperrt worden. Gut 100 Zelte waren um den alten Adelssitz herum drapiert, und in den Zelten saßen Leute in traditioneller Tracht und machten, was man im Mittelalter halt so machte: schmieden und spielen, kochen und klönen. Die gewandeten Männer und Frauen waren Mittelalter-Fans aus ganz Deutschland, die ihre Wochenenden nicht in Schrebergarten oder Stadion, sondern auf historischen Jahrmärkten verbringen. Menschen wie Thorsten Prang: Montags bis freitags betreibt er eine Schmiede- und Metallgestaltungswerkstatt in Zeuthen bei Berlin, in seiner Freizeit tingelt er über die Märkte in Halle, Neuss oder eben Herne und zeigt, wie man Werkzeuge und Schwerter früher hergestellt hat. Prang bleibt stets in seiner Rolle. Nein, eine Visitenkarte habe er nicht, sagte der Brandenburger im heimatlichem Idiom, wohl aber eine „Niederschrift“ seines Namens und seiner Adresse.
Auf der Bühne, dort, wo vor zwei Wochen noch SPD-Mann Guntram Schneider gesprochen hatte, spielte nun die Band The Sandsacks. In ihren Kelly-Family-Klamotten sahen sie durchaus mittelalterlich aus, die Dudelsack-Musik wirkte indes eher schottisch. Nachgefragt beim Fachmann: Jan-Willem Kühr von der Firma Miroque verkauft CDs mit historischer Musik. Was The Sandsacks spielten, sei zwar mittelalterlich angehaucht, aber nicht wirklich authentisch: „Diese Dudelsäcke sind eine Erfindung der 80er-Jahre.“ Die Menschen im 15. Jahrhundert waren durchaus Partymäuse, sagte Kühr. „Sie hatten zwar wenig Zeit, weil sie sieben Tage die Woche arbeiten mussten. Aber wenn, dann haben sie sehr heftig gefeiert. Der Tod war damals allgegenwärtig, sie haben immer damit gerechnet, dass am nächsten Tag alles vorbei sein könnte.“
Herne, Stadt der Ritterfans: Zum fünften Mal fand das Spektakel an der Emscher statt, Herne hat sich zu einem Favoriten unter den Mittelaltermärkten gemausert. Einen „Spitzenplatz“ bescheinigte Henri Bibow von der sächsischen Veranstalteragentur „Sündenfrei“ dem Spektakel im deutschlandweiten Vergleich. „Wo hat man schon ein Schloss, Grachten und grüne Wiesen drum herum?“ Ganz so grün dürften die Wiesen jetzt allerdings nicht mehr sein: Gerade dort, wo die Ritterspiele stattfanden, erinnerte der Boden nachher eher an einen großen Trampelpfad.