Wanne-Eickel. .
Pianist Martin Stadtfeld gibt exklusive Konzerte für Schüler der Königin-Luisen-Hauptschule. Ein Wissenschaftler begleitet das Ganze und forscht über die Folgen des Gastspiels.
Der Flügel aus dem Hause Steinway & Sons wartet schon seit Dienstag im Stadtteilzentrum Pluto auf die Hände von Martin Stadtfeld. Der bekannte Konzertpianist, wohnhaft in Crange, hat für Mittwoch und Donnerstag zu einem Heimspiel in kleiner Runde eingeladen. Rund 100 Schüler der Königin-Luisen-Schule, geteilt in drei Gruppen, haben die Ehre, einem Konzert des Starpianisten beizuwohnen. Gleichzeitig sind die Hauptschüler zwischen 13 und 16 Jahren auch die „Versuchskaninchen“ von Tobias Emanuel Mayer: Der Diplom-Musikpädagoge hat die Veranstaltung im Rahmen seines Forschungsprojekts „Der Bernstein-Effekt“ organisiert. Mayer will herausfinden, ob Klassikstars durch den unmittelbaren Kontakt mit „klassikfernen Hauptschülern“ ein Interesse für klassische Musik hervorrufen oder verstärken können.
Schon vor den Sommerferien haben die Schüler hierzu einen Online-Fragebogen mit integrierten Hörproben klassischer Musik ausgefüllt. Weitere Befragungen wird Mayer im direkten Anschluss an Stadtfelds Konzerte und ein halbes Jahr danach durchführen.
Doch bevor sich der Berufsmusiker auf die Klavierbank setzt und seine Hände über die weißen und schwarzen Tasten gleiten lässt, sucht er das Gespräch mit den Schülern der ersten Gruppe: „Ich bin Konzertpianist. Was ist das?“, fragt er in die Runde. Bevor niemand antwortet, erklärt Stadtfeld seinen Beruf: „Ich mache so an die 100 Konzerte weltweit. Zu meinen Konzerten kommen zwischen 500 und 1000 Zuschauern“, fügt er an. Das Bild des Musik-Stars kommt an. Eine Schülerin ruft dazwischen und fragt: „Haben Sie denn auch Groupies?“. Stadtfeld lässt die Frage unbeantwortet. Stattdessen setzt der Pianist sich an den schwarzen Flügel und beginnt mit dem ersten Stück. Die vier Werke, die Stadtfeld für die Schüler ausgewählt hat, dauern alle nicht länger als drei Minuten und sind alle von Johann Sebastian Bach.
Obwohl Stadtfeld es einem einzigen Komponisten überlässt, die Schüler für klassische Musik zu begeistern, sieht er hierfür Bach als besonders geeignet: „Da ist einfach alles drin, und die Stücke sind sehr kurz“, so der Bach-Verehrer. Den Titel des ersten Stückes – Figuriertes Präludium in C-Moll – mutet Stadtfeld den Schülern ebenso wenig zu, wie die Titel der anderen Werke.
Doch tatsächlich zeigt das Konzert bei den Schülern seine Wirkung. Bereits nach den ersten Tönen werden die Tuscheleien weniger. Die Mehrheit lauscht aufmerksam den Klängen aus dem frühen 18. Jahrhundert. Einige schauen wie gebannt auf die Hände des Starpianisten. Schnell und von treibender Melancholie ist das erste Stück. „Das hatte einen ziemlich schnellen Rhythmus“, bemerkt einer der Schüler hinterher.
Nach jedem Stück erzählt Stadtfeld etwas zu dessen Entstehung und zum Leben des Komponisten Bach. Die zweite Komposition ist wesentlich ruhiger und langsamer als die erste, aber mit ebenso viel Schwermut behaftet. „Bach schaffte es mit seiner Musik, alle Emotionen auszudrücken“, sagt Stadtfeld begeistert. Das letzte Werk „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“ liefert daher die bisher fehlende musikalische Fröhlichkeit. Kaum ist der Applaus verhallt, stellt eine Schülerin die berechtigte Frage: „Spielen Sie eigentlich nur Stücke von Bach?“. Natürlich hat Stadtfeld auch Werke anderer Komponisten im Repertoire. Als Beleg spielt er den Türkischen Marsch von Wolfgang Amadeus Mozart. „Das nächste Stück kennt ihr vielleicht als Klingelton“, kündigt der Konzertpianist seine Zugabe an.