Herne. .

Wenn nächste Woche die I-Dötze kommen, ist das nicht nur für die Kinder spannend. „Für Lehrer ist der erste Schultag genauso aufregend“, sagt Ute Leipski.

Die 54-Jährige hat schon viele Grundschüler kommen und gehen sehen – seit 20 Jahren ist Leipski Lehrerin.

Die Pädagogin unterrichtet an der Grundschule Berliner Platz in der Herner Innenstadt. Sie wird auch im neuen Schuljahr wieder eine erste Klasse bekommen. Die anfänglichen Tage mit den Novizen seien immer gleich.

„Für die Kinder ist das eine völlig neue Situation. Man muss ihnen erst beibringen, dass sie aufzeigen und nicht alle durcheinander sprechen sollen.“ In dieser Zeit sind Lehrer besonders gefordert. Leipski will schnell Vertrauen schaffen und eine angenehme Atmosphäre. „Sie sollen den Spaß behalten. Wenn die Kinder schon nach der ersten Woche gefrustet sind, ist das dramatisch.“ Leipski erinnert sich noch an ihre eigene Grundschulzeit. Damals, erzählt sie, wurden „ganz neue Methoden“ angewandt. Gruppenarbeit etwa. Inzwischen hat sich viel getan in der pädagogischen Lehre, immer wieder meint die Wissenschaft, den Schlüssel zu effektivem Lernen gefunden zu haben. Nicht immer sind die Erkenntnisse praktisch umsetzbar. So sollen Lehrer den Stoff per Handpuppen vermitteln. „Ich komme mir dabei aber blöde vor“, sagt Leipski, jeder Lehrer müsse seinen eigenen Stil finden. Experten haben außerdem herausgefunden, dass die Kinder ihre Sitzposition selbst aussuchen sollten. Also beispielsweise liegend auf dem Fußboden. Kaum machbar, meint Leipski: „Die Schulen müssen ja auch sparen, der Boden ist dafür viel zu dreckig. Und Teppich dürfen wir wegen des Brandschutzes nicht legen.“

Nicht nur die Konzeption, auch das Umfeld der Schüler hat sich gewandelt. Die Einrichtung am Berliner Platz ist, so Leipski, eine „Brennpunktschule“. Viele Jungen und Mädchen stammen aus Hartz-IV-Familien. Einige kommen ohne Etui, Hefte oder Turnbeutel zum Unterricht, Ausflüge dürfen nur in einem engen Kostenrahmen stattfinden. Und: Immer mehr sind schon in jungen Jahren in Therapie, etwa beim Logopäden. Doch Leipski wehrt sich gegen die Schubladen-Denke. Man könne nicht schon im Grundschulalter die spätere Entwicklung der Kinder abschätzen. Aus dem Schüchterling kann ein Draufgänger werden. „Für mich war es früher ganz schlimm, wenn ich mich melden musste. Heute stehe ich selbst vor einer Klasse.“

Eines wird sich jedoch wohl niemals ändern: Am ersten Schultag fließen Tränen, garantiert. Die Trennung von den Eltern, „das ist für viele Kinder ungewohnt.“ Was Leipski sich wünsche? „Dass die Schüler am nächsten Tag gerne wiederkommen.“