Herne. .
„SchachtZeichen“ erinnert ab Pfingstsamstag an die elf Bergwerke der Stadt. Das Proramm vor Ort ist dicht.
Die Welt des Rainer Koslowski begann in den Straßen rund um das Bergwerk Shamrock 1/2. Sein Vater war Steiger, die Familie lebte an der Gräffstraße, und an der Stelle der Szenekneipe „Sonne“ stand noch „Haus Biermann“. „Da ging mein Vater alle 14 Tage kegeln.“ Ein paar Meter weiter, auf dem Gelände von Sasol, wird „Ex-Herne 3“-Frontmann Koslowski am Samstag mit seiner Band „Herner Kreuz“ ein helles Licht für die Kulturhauptstadt anzünden. Die Open-Air-Veranstaltung läutet das Kulturhauptstadt-Projekt „SchachtZeichen“ ein, das mit 350 gelben Heliumballons über ehemaligen Zechenstandorten an die Bergbaugeschichte der Region anknüpft.
In Herne werden (nach letztem Stand) 18 Ballone an ehemals elf Bergwerke erinnern. Dass die Stadt damit mehr als gut aufgestellt ist, verdankt sie vor allem dem Historiker und Publizisten Ralf Piorr, der seit Aufkeimen der Idee die Ballone an die Bürger gebracht hat, damit diese sie vom 22. bis zum 29. Mai 80 Meter in die Höhe steigen lassen. Piorr zeigte sich gestern beeindruckt von der Vielzahl der Aktivitäten: „SchachtZeichen zeigt, dass die Leute bereit sind, sich zu engagieren, wenn sie sich mit etwas identifizieren können.“ Identifizieren können sich offenbar noch viele mit der Vergangenheit ihres Viertels. Wenn es nicht die ehemaligen Bergleute selbst sind, die sich schulen lassen für den Umgang mit den Ballons, dann übernehmen deren Söhne oder Enkel eine Woche lang die Verantwortung für Auflassen und Einholen der Ballone, auf dem Areal von Julia, Friedrich der Große oder Pluto. Und wo die Bebauung so dicht ist wie auf der ehemaligen Zeche Von der Heydt, sorgt eine Dachkonstruktion auf dem Seniorenzentrum Wörthstraße dafür, dass auch dieses Bergwerk nicht vergessen ist. „Sogar in Constantin haben wir noch zwei Leute gefunden, die gesagt haben: Das geht nicht, dass unser Stadtteil keinen Ballon bekommt“, freut sich Piorr.
Dazu haben sich die Beteiligten ein dichtes Programm überlegt, das anfängt bei Ausstellungen mit Industrie-Ansichten wie im Kasinoverein Harmonie Unser Fritz oder im Tennisclub Friedrich der Große, und bei Konzerten und Gottesdiensten noch lange nicht aufhört. Stratmann geht mit Open-Air-Theater-Szenen auf die Straße. Ein kulinarischer Abend trägt den schönen Titel „Wat dem Berchmann gut schmecken tut“ (Kasinoverein). Sportreporter Manni Breuckmann liest beim SV Sodingen. Dazu Filme wie „Jede Menge Kohle“ und „Theo gegen den Rest der Welt“. Und wer einen spektakulären Ausblick sucht, kann vom „Bosch“-Haus an der Holsterhauser Straße fotografieren oder einfach nur die gelben Ballons bestaunen. Am 24. und 29. sind sie sogar beleuchtet.
Die Verbindung vom Kleinräumigen, dem Stadtteil, mit dem Großen, der Region: Das ist es, was „SchachtZeichen" nach Überzeugung von Ralf Piorr schafft. Sein Tipp: „Mal mit dem Fahrrad die Standorte abfahren.“ Sichtbar werde dabei die „versteckte Topografie“ der Stadt. Den Bergbau sieht der Kopfarbeiter dabei nicht nostalgisch verklärt: „Das war harte Arbeit.“ Dass er selbst die reiche Ausbeute seiner Recherchen irgendwann nutzt, schließt er nicht aus. Das Buch, das Piorr über den Herner Bergbau schreiben würde, gibt es nämlich noch nicht. . .