Herne.

Für die unabhängige Beratungsstelle „Schattenlicht“ wird es finanziell immer enger: Die Stadt muss unter dem Spardiktat den Zuschuss kürzen, Spenden und Bußgelder werden weniger, während die Betriebskosten steigen.

Als in den letzten Wochen ein Missbrauchsskandal nach dem anderen ans Licht kam, überraschte die Mitarbeiterinnen von „Schattenlicht“ gar nicht so sehr die Vielzahl der Fälle. Erschrocken, sagt Siglinde Merkert, sei sie vielmehr darüber, „dass durch systematische Vertuschung über Jahrzehnte Missbrauch möglich war.“ Die Beratungsstelle für Mädchen und Frauen hat täglich mit Fällen sexualisierter Gewalt zu tun: mit Missbrauch in Heimen oder unter dem Dach der Kirche gelegentlich, aber meistens passieren die Übergriffe doch „im direkten sozialen Umfeld“, in den Familien, in Schulen und der Freizeit. Noch ist „Schattenlicht“ in Herne die erste und einzige Adresse für die Opfer, doch für den Verein wird es finanziell immer enger.

Die unter dem Spardiktat stehende Stadt Herne hat eine weitere Zuschusskürzung angekündigt. Minus fünf Prozent, das wären knapp 2500 Euro im Jahr weniger - für das dreiköpfige Team kaum noch zu verkraften, denn auch die Spenden fließen nicht mehr wie früher, während die Betriebskosten steigen. Der letzte große Geldsegen kam von einer Düsseldorfer Bank.

Bisher lief die Kalkulation so: 85 % des Etats kommen über den Landschaftsverband (LWL) herein, das reicht für eineinhalb Stellen. Durch die restlichen 15 % der Stadt konnten eine weitere halbe Stelle, die Miete und übrige Kosten bestritten werden. Die Mitgliedsbeiträge sind überschaubar, die Klientinnen zahlen für Beratung und Prozessbegleitung nichts. Vorträge und Präventionsarbeit in Schulen werden ebenfalls nicht vergütet. „Mal kamen kleinere Spenden dazu, zum Beispiel von Kirchengemeinden“, berichtet Antonie Brieske, „oder Bußgelder, aber auch die sind zurückgegangen.“ Diese sind zudem „schlecht kalkulierbar“.

Um ihr Angebot zu retten, gehen die Beraterinnen jetzt auf Sponsorensuche. Die großen Herner Unternehmen und Vereine werden angeschrieben mit der Bitte, sich für „Schattenlicht“-Projekte zu engagieren. Auch an die Steuerfahndung haben sich Antonie Brieske, Siglinde Merkert und Martina Ruße gewandt, denn auch die verteilt an gemeinnützige Vereine. „Uns fehlen 13 000 bis 15 000 Euro“, stellt Siglinde Merkert fest. An Qualität wollen die Beraterinnen aber auf keinen Fall einbüßen.

Die Missbrauchsskandale hätten noch einmal gezeigt, wie wichtig fachlicher Rat sei. „Opfer von Missbrauch suchen am besten zuerst eine Anlaufstelle auf, bevor sie Anzeige erstatten“, sagt Brieske. Und Martina Ruße erklärt: „Es muss gar nicht zur Anzeige kommen. Vorrangig sind Beratung und Therapie.“ Denn, so Antonie Brieske: „In einem Beratungsgespräch geht es erst mal darum: Was kommt auf die Frauen oder Mädchen zu? Können sie das verkraften, wenn womöglich ein Verfahren scheitert oder mit Freispruch endet?“ Denn wenn einmal Anzeige erstattet ist, führt kein Weg zurück. Auf der anderen Seite kann eine Tat nach zehn Jahren noch angezeigt werden, von Minderjährigen sogar zehn Jahre nach dem 18. Geburtstag. „Die Entscheidung treffen die Frauen.“

In der momentanen Lawine von Betroffenenberichten sehen die „Schattenlicht“-Mitarbeiterinnen auch eine Chance. Weil sie anderen Mut macht, über einen erlittenen Missbrauch zu sprechen oder eine momentan erlebte Qual zu beenden. Ob dadurch die Taten zurückgehen? Antonie Brieske hat ihre Zweifel. Aber: „Die Täter müssen mehr darauf achten, dass nichts herauskommt. Sie sind unter Beobachtung.“ Siglinde Merkert wünscht sich ein geschärftes Interesse für die oft angezweifelten oder überhörten Aussagen von Opfern. Dass die, die um sie herum sind, „mehr hinhören“.