Herne. .
Die spurtschnelle Fahrradstreife der Polizei, seit November im Dienst, hat viel zu tun. Die WAZ begleitete die Beamten - und erlebte manche Überraschung.
Zwölf Uhr mittags auf der Herner Polizeiwache.Wir, das sind Hauptkommissar Gerd Klar, Kommissarin Sandra Sippel und der sie begleitende Mann von der WAZ, wollen gerade beim Kaffee den Tag besprechen, da ist es schon mit der Ruhe vorbei: Die Wachhabende setzt das Trio in Marsch. Die Drei schwingen sich auf ihre Fahrräder, und nach wenigen Minuten nehmen die Polizisten einen Auffahrunfall auf der Cranger Straße auf - und der WAZ-Begleiter fegt mit einem geliehenen Straßenbesen Glassplitter von der Fahrbahn. Ein vorbeikommender Fahrer von Entsorgung Herne, vom Besenmann gebeten, die Glassplitter mitzunehmen, blafft zurück: „Da hamm wer nix mit zu tun.“
Auftakt einer Achtstundenschicht, in der die beiden Beamten kaum zur Ruhe kommen, mehr als einmal ihre Spurtstärke unter Beweis stellen müssen und der Begleiter aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Staunen über Sprüche, die Gurtmuffel, Handy-Liebhaber am Steuer, Radfahrer auf der Bahnhofstraße oder Stoppschilder missachtende Zeitgenossen an Unfallschwerpunkten so loslassen.
„Ich bin im Dienst“, versucht es ein Fahrlehrer, den das Duo in der Markgrafenstraße stellt und der die 40 Euro und den Punkt in Flensburg doch akzeptiert. „Polizisten auf dem Fahrrad, das habe ich noch nie erlebt“, zeigt sich ein Luxemburger mit Herner Führerschein, der telefonierend durch den Kreisverkehr am Bahnhof fährt, verblüfft.
Und so geht es den ganzen Tag weiter. Nur wenige sehen ihren Verkehrsverstoß ein und zücken ihre Scheckkarte. Ein junger Herner mit türkischem Pass vermutet gar die gezielte Verfolgung von „uns Schwarzköpfen“, als er - nicht angeschnallt - auf der Baumstraße rechts ran gewunken wird. Und ganz entlarvend reagiert eine nicht angegurtete Frau, die zunächst alles bestreitet und dann mit folgender Begründung rausrückt: „Wenn ich Sie gesehen hätte, wäre ich angeschnallt gewesen. Aber das ging auch nicht, weil ich vorher mit meiner Tochter telefoniert habe.“
Zwischendurch gibt es aber auch Erfreuliches. Auf Streife durch Nordpark, Stadtgarten, Revierpark oder Industriegebiet Trimbuschhof werden die Polizisten freundlich begrüßt und mit vielen Tipps für ihre Touren versorgt. Dann noch unterwegs ein Pkw auf der Kantstraße, der den kompletten Gehweg blockiert oder eine Autofahrerin am Ende der Sodinger Straße, die rückwärts aus einer Hofeinfahrt kommt und den Mann von der WAZ auf dem Radweg zur Vollbremsung zwingt.
Die Schicht im Sattel ist schneller rum als gedacht. Und „manchmal verlieren wir auch so wie heute“ , zieht Gerd Klar Bilanz. Die Verfolgung eines schwarzen Opel-Astra mit Herner Nummer, der neben dem auf dem Radweg vor der Ampel Sodinger Straße/Hölkeskampring wartenden Trio mit Vollgas das Rotlicht ignorierte, endete atem- und erfolglos am Ostbachtal.
Die radelnden Polizisten, seit gut einem halben Jahr im Einsatz, steigen nur bei Sauwetter ins Auto. „Wir sind näher am Bürger als im Streifenwagen und oft auch da, wo das Auto nicht hinkommt“, fasst Kommissarin Sandra Sippel zusammen. Das allerdings mit viel Idealismus beim Start im Herbst. Da mussten erst die eigenen Fahrräder ran und die Kosten für die spezielle Dienstkleidung (Grundausstattung 350 Euro) erst mal selbst getragen werden. Anfängliche Skepsis in den eigenen Reihen habe sich gelegt und gelegentlich steigen schon zwei weitere Kommissarinnen aufs Rad, um im Sattel für Ordnung zu sorgen.