Herne. .
Erstmals kauft die Stadt ein heruntergekommenes Gebäude, um es anschließend abzureißen. Demnächst wird sie untersuchen, wie viele „Schrottimmobilien“ es in Herne gibt.
Wohl noch nie in der jüngeren Stadtgeschichte hat der Abriss eines Hauses derart viele Reden ausgelöst. Am Mittwochmorgen, als Kommunalpolitiker, Nachbarn und Schaulustige noch auf den großen Bagger warten, der das Gebäude später einreißen wird, steht Bezirksbürgermeisterin Henny Marquardt mit einem Mikrofon auf dem Bürgersteig an der Roonstraße. „Marode Schrottvilla“ nennt sie das Haus Nummer 39. Sie sei froh, dass diese „Zumutung entsorgt wird“.
Die Nachbarn von gegenüber stehen derweil eng beieinander. „Schauen Sie sich das doch mal an“, sagt eine ältere Frau und reckt ihren Kopf in die Höhe. Seit 15 Jahren, mindestens, hätten sich die Besitzer nicht mehr um ihre Immobilie gekümmert. Das Ergebnis sei einfach nur schäbig. „Wir sind glücklich, dass das Ding jetzt wegkommt.“ Der schlimmste Anblick sei die Verbretterung gewesen, mit der die Stadt herunterstürzende Fassadenbrocken auffangen musste.
Über 25 000 Euro hat Herne ausgegeben, um Haus und Grund zu kaufen. 80 000 Euro kostet der Abriss. Zum ersten Mal geht ein baufälliges Privatgebäude in städtischen Besitz über, um dann dem Erdboden gleich gemacht zu werden. Anschließend soll das 1058 Quadratmeter große Grundstück an den Markt gebracht werden. Eigentumswohnungen könnten entstehen oder eine Seniorenwohnanlage. „Ideen wollen wir sammeln und weitertragen“, sagt die Bezirksbürgermeisterin. Mit dem Erlös will der Staat seine Kosten decken.
Bereits am Dienstag hatte das Abbruch-Ereignis an der Roonstraße seine Schatten vorausgeworfen. Im Planungsausschuss ging es um eben jene Schrottimmobilien, die Straßenzüge belasten und den Steuerzahler auch noch Geld kosten, weil der Staat seine Bürger vor den verwahrlosten Immobilien schützen muss.
SPD, Grüne, FDP und Die Linke haben die Verwaltung gegen die Stimmen der CDU damit beauftragt, ein Schrottimmobilien-Kataster anzulegen. In Bälde soll feststehen, wie viele solcher maroden Häuser existieren und wo diese stehen. Auch eine Handlungsempfehlung für die Politik soll es geben. Was kann eine Stadt machen, wenn vergammelte Privathäuser das Straßenbild verschandeln und die Menschen gefährden?
Die CDU hat im Ausschuss mit Nein gestimmt, weil sie „große Probleme“ mit dem Kataster hat. Ihr Sprecher Ulrich Finke befürchtet eine Stigmatisierung der Besitzer, eine stillschweigende Enteignung. Der Eigentümer, so die CDU, müsse sein Einverständnis erklären. Und überhaupt: „Was versteht man denn unter Schrottimmobilie?“
Zumindest in einem Punkt waren sich die im Planungsausschuss vertretenen Parteien einig: Das Problem mit leeren und heruntergekommenen Gebäuden werde künftig wohl noch zunehmen.