Wanne-Eickel. .
Volker Ittermann ist Eickeler, Fußball-Fan – und Initiator des ersten schwul-lesbischen S 04-Fan-Clubs überhaupt. Ein Porträt.
Journalisten sind Handwerker, die meisten Presse-Texte folgen bestimmten Schablonen. Eine dieser inoffiziellen Schablonen besagt: Wann immer es um enthusiastische Fußball-Fans geht, muss Nick Hornbys Bestseller „Fever Pitch“ zitiert werden: „Ich verliebte mich in den Fußball wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.“ Auch auf Volker Ittermann passt dieses Zitat. Nur, dass er sich nicht in Frauen verliebt, sondern in Männer.
Erster schwul-lesbischer Knappen-Fanclub überhaupt
Ittermanns fußballerische Sozialisation begann im Eickel der 70er- und 80er-Jahre. Sein Vater ist seit jeher Fan, er nahm den kleinen Volker mit zum DSC und später auch zu Schalke. Volker genoss diese Ausflüge; obwohl er selbst nicht Fußball spielen kann, hatte er Blut geleckt. Im Laufe der Jahre ging er immer mal wieder ins Parkstadion – bis zum 34. Spieltag der Saison 2000/01, jenem Tag, an dem Schalke vier Minuten lang Deutscher Meister war. „Das war eine Initialzündung für mich“, sagt der Eickeler heute, „seitdem bin ich vollends infiziert.“
Die Geschichte, wie Volker Ittermann, 40, zum Fußball kam, mag also typisch sein für viele andere Fans. Dennoch hat Ittermann getan, was noch kein Blau-Weißer getan hat: Er gründete „Andersrum auf Schalke“, den ersten schwul-lesbischen Knappen-Fanclub überhaupt.
Derzeit sind sie zu elft. Erst im Mai hoben sie den Club aus der Taufe, es kämen also mit der Zeit bestimmt noch ein paar Mitglieder dazu. Homosexualität und Fußball – immer wieder wird das vermeintliche Paradoxon zum öffentlichen Thema. Die vergangenen Monate haben es wieder auf die Agenda gesetzt: Nach Robert Enkes Tod wurde mehr Sensibilität angemahnt, nach der Schiedsrichter-Affäre forderte der DFB Outings von Profi-Spielern.
„Eine offene Atmosphäre im Fußball schaffen“
Auch die elf Freunde von „Andersrum auf Schalke“ wagen keine Prognose, ob es Sportler gibt, die sich mal zum Schwulsein bekennen werden. Doch an dieser Stelle erkennt der Fan-Club eine soziale Aufgabe: „Wir wollen mit dafür sorgen, dass im Fußball eine offene Atmosphäre geschaffen wird.“ Fan-Club bleibt indes Fan-Club, einen Lobby-Verein möchten Ittermann und Co. nicht schaffen. „Wir werden aus Schalke keine Kuschelveranstaltung machen“, sagt er, und dass jeder Mitglied werden könne, der tolerant sei. Ittermanns Nichte ist schließlich auch dabei – zusammen mit ihrem Freund.
Keine Frage, dass die Gründung polarisiert und Reaktionen provoziert. Die von offizieller Schalker Seite waren wohlwollend, natürlich. In Internetforen sind die Meinungen gemischter. Einer fragt, ob nun auch noch „sein“ Schalke „entweiht“ werden müsse. „Richtig Böses haben wir aber noch nicht gehört“, so Ittermann. Noch ist Sommerpause. Sollten sie später mal alle elf zusammen ein Spiel besuchen, vielleicht sogar einen Regenbogen-Banner in der Arena aufhängen, „dann wird sicher was kommen. ,Schwule Sau’ ist im Stadion ein Schimpfwort.“ Mit dieser Fan-Initiative steht Schalke übrigens nicht alleine da. In Dortmund etwa gibt es schon seit 2004 die „Rainbow-Borussen“, Ittermann unterhielt sich vorab mit einigen der homosexuellen BVB-Anhänger. Also hat der Feind vom Borsigplatz seinen Teil dazu beigetragen, dass „Andersrum auf Schalke“ entstand? „Nein“, sagt Ittermann energisch, „so würde ich das bestimmt nicht sagen.“