Börnig. .

Herne hat einiges zu bieten: Kulturelles, Industrielles, Historisches und auch sportliche Höhepunkte. Aber botanische Raritäten? Bei uns?

Tatsächlich gilt unter Botanikern in Nordrhein-Westfalen Herne als Geheimtipp – zumindest was den Voßnacken betrifft und dort im Besonderen die Orchideenwiesen. Drei davon unterscheidet Hiltrud Buddemeier vom Bund für Umwelt- und Naturschutz.

Star der Wiesen ist das Breitblättrige Knabenkraut. Buddemeier: „An kaum einer anderen Stelle in Nordrhein-Westfalen kommt diese Orchidee auf relativ kleiner Fläche in einer solch großen Population vor.“ Mit wissenschaftlichem Namen heißt das Breitblättrige Knabenkraut „Dactylorhiza majalis“ – worin die griechischen Wörter dactylos = Finger, rhiza = Wurzel sowie der Hinweis majalis auf den Blütemonat Mai enthalten sind. „Wegen des langen Winters hat sich, wie so vieles in der Vegetation, auch die Blüte der Majalis nach hinten verschoben“, begründet die Expertin die Tatsache, dass die wunderbaren violetten Orchideen-Blüten auch jetzt noch zu bewundern sind.

8000 Exemplare dieser Orchidee wurden auf den drei Wiesen in dem Herner Naturschutzgebiet gezählt. „In unseren Breiten gilt die Pflanze mittlerweile als sehr gefährdet. Wir dürfen glücklich sein, dass wir hier bei uns so etwas Schönes haben. Dafür muss man auch der Stadt Herne danken, die mit einer jährlichen Mahd eine der Voraussetzungen dafür schafft, dass das Knabenkraut hier wächst“, sagt Buddemeier. Das Mähen ist wegen des feuchten bis sumpfigen Bodens nicht einfach. Deshalb kommt ausschließlich ein Freischneider zum Einsatz. Spätestens seit dem Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war das Areal Teil des landwirtschaftlich genutzten Gebietes. Eine Handvoll weidender Rinder, beziehungsweise die Sense des Landwirts hielt Pflanzen klein, die mit den Orchideen hätten konkurrieren können. Und damit war die Welt fürs Knabenkraut in Ordnung.

Das änderte sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Buddemeier erinnert sich: „Als ich Mitte der achtziger Jahre mit Karl-Heinz Monno von der direkt angrenzenden Halde auf die Wiese schaute, wuchsen dort bereits etliche Erlenbüsche und bedrohten den Orchideen-Bestand und andere für eine Sumpfdotterblumen-Wiese typische Pflanzen.“ Insofern habe sich die Stadt mit dem Mähen und dadurch, dass die Flächen als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurden, um dieses Kleinod der Natur verdient gemacht. Aber Buddemeier wäre nicht Buddemeier, wenn sie nicht auch darauf hinweisen würde, dass die damals im Herner Rathaus Verantwortlichen zuvor im Zusammenhang mit den Orchideenwiesen „viel Mist gebaut“ hätten. Die Umweltschützerin: „Zuvor war der Bereich zwischen Castroper Straße und A42 als Gewerbegebiet ausgewiesen und es wurden Halden mit U-Bahn- Aushub, Bauschutt und Hausmüll sowie mit Bergematerial der BAG Lippe aufgeschüttet, gut die Hälfte der Orchideenwiese-Fläche ging dadurch verloren.“ Immerhin machte es die Stadt der Elektro-Teile-Firma Schupa, als diese ihren Erweiterungsbau auf einen Teil der Wiese setzte, zur Auflage, eine Drainage ins Fundament zu integrieren. Diese gewährleistet, dass auch der an den Bau angrenzende Teil der Wiese weiterhin mit den permanenten Grundwasserströmen, die von Mont Cenis zum Voßnacken herabfließen, versorgt wird. Buddemeier: „Ohne dieses Wasser gäbe es die Orchideen hier nicht.“ Deshalb – und über die Tatsache hinaus, dass es streng verboten ist, sollte niemand auf die Idee kommen, sich eine der Pflanzen für den eigenen Garten zu klauen. „Spätestens nach einem Jahr wäre das Breitblättrige Knabenkraut hin – die Bedingungen für ein Gedeihen sind zu speziell.“ Deshalb besser spazieren gehen und den Spruch aus der Bierwerbung beherzigen: Nur gucken, nicht anfassen!