Das ist also Kulturhauptstadt: Touris aus Hessen und Bayern und der Schweiz schippern über den Kanal und hören sich gebannt an, was ein in Berlin geborener Filmemacher über den Fußball im Ruhrgebiet herausgefunden hat.

Nämlich dass Pütt und Pöhlen hier mal eine natürliche Symbiose bildeten. Das ganze heißt dann Kinoschiff, und das fährt auf dem Kulturkanal.

Am Wochenende fuhren wieder einige Schiffe von Horsthausen aus über den Rhein-Herne-Kanal, und während oben an Deck die Landschaft vorbei zog, zeigten sie unten einige Filme. Am Freitag lief „Pippi Langstrumpf“ auf dem einen und Dokumentationen über das Revier auf einem anderen Boot, am Samstag wurde nachmittags ein Beitrag über den Revier-Fußball und abends einige Kurzfilme gezeigt.

Der Regisseur der Doku „Im Westen ging die Sonne auf“ heißt Wolfgang Ettlich. Der gebürtige Berliner lebt seit den 60ern in München, warum also ein Film über Ente Lippens, Jule Ludorf, Hans Tilkowski und Co.? „Ich war früher Fan von Westfalia Herne“, sagte Ettlich. „Aber ich war noch nie richtig im Ruhrpott. Deshalb habe ich mich gefreut, diesen Film machen zu dürfen.“ Die Ruhr.2010-Besucher unter Deck erfuhren, dass sich Westfalias Torwart-Legende Tilkowski früher Schmirgelpapier in die Handschuhe klebte, um die Bälle besser fangen zu können – die Erfindung des modernen Ballfänger-Handschuhs.

Doch nicht alle guckten zu. Einige blieben lieber oben, weil man hier rauchen konnte und vor allem die Pott-oreske Landschaft genießen: Schleusen und Hebewerke, Griller und Schwimmer, Kohleberge und Kraftwerke – so lebt also der Ruhri. „Dass nicht alle unten sind, ist klar“, sagte Ettlich. Trotzdem sei das Kinoschiff „eine interessante Veranstaltung“. Die Touris aus der Ferne wissen jetzt auch, dass das Land zwischen den Meeren nicht Schleswig-Holstein ist – es ging vom Herner zum Dattelner Meer.

Das Wasser, sagte denn auch Stefanie Thomczyk vom Herner Projektbüro Kulturkanal, werde in den nächsten Jahren an enormer Bedeutung gewinnen. Schließlich gibt es in dieser Region die Ruhr und die teil-aufgehübschte Emscher, viele Kanäle, Häfen und Marinas. Im Norden ist jede Stadt stolz auf ihren Hafen, Köln, Düsseldorf oder Koblenz behaupten alle, „die“ Stadt am Rhein zu sein. Im Revier gibt es noch Optimierungsbedarf. „Das Ruhrgebiet steht noch ganz am Anfang der Entwicklung“, so Thomczyk. Wohnen am Wasser, Fahrgastschiffe, die zwischen Oberhausen, Herne oder Henrichenburg pendeln – all das sei im Kommen. Besteht denn nicht die Gefahr, dass die Kanäle ihren rauen Charme verlieren, wenn die Ufer an vielen Stellen aufgemöbelt werden, wenn allerorten Kunstwerke, Anlegestellen für Ausflugsboote und Freizeitareale entstehen? Auch Thomczyk sieht diese Gefahr. Man müsse behutsam vorgehen, Grillplätze und andere „heimliche Orte“ für die Menschen, die in der Nähe wohnen, bewahren. Jedoch: „Besondere Orte wie etwa die Künstlerzeche in Unser Fritz sollen schon für eine breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

Die Kulturschiffe sind übrigens subventioniert. 10 Euro kostete die vierstündige Fahrt mit filmischer Unterhaltung. „Zu diesem Preis“, so Thomczyk, „würde sich das eigentlich nicht lohnen.“